Cronin, Justin
bleiben können. Wenn das Mädchen
in der Mall getan hat, was du sagst, dann kann sie uns vielleicht alle beschützen.«
Peter sah Sara an. Nach dem, was Michael ihnen
gerade eröffnet hatte, war er überrascht, sie so gefasst zu sehen. Ihr Gesicht
zeigte keine Gefühlsregung. Aber sie war Krankenschwester, und Peter wusste,
wie tough sie sein konnte.
»Sara? Du hast noch gar nichts gesagt.«
»Was soll ich denn sagen?«
»Du warst doch die ganze Zeit bei ihr. Was
glaubst du, was sie ist?«
Sara seufzte müde. »Ich weiß nur, was sie alles
nicht ist. Sie ist kein Viral, das ist offensichtlich. Aber ein gewöhnlicher
Mensch ist sie auch nicht. Du hast gesehen, wie schnell ihre Wunden heilen.«
»Und warum kann sie nicht sprechen?«
»Keine Ahnung. Wenn sie so alt ist, wie Michael
sagt, und wenn sie die ganze Zeit allein war, dann hat sie es vielleicht
verlernt.«
»War niemand sonst bei ihr?«
»Nicht seit gestern. Ich habe den Eindruck, alle
haben ... Angst vor ihr.«
»Du auch?«
Sara runzelte die Stirn. »Warum sollte ich Angst
vor ihr haben, Peter?«
Er wusste es nicht. Die Frage hatte in seinen
eigenen Ohren seltsam geklungen, als er sie stellte.
Sara stand auf. »Ich muss zurück. Ben wird sich
sonst fragen, wo ich bleibe.« Sie legte Michael eine Hand auf die Schulter. »Du
musst versuchen, ein bisschen zu schlafen. Und du auch, Elton. Ihr beide, ihr
seht furchtbar aus.«
Sie war schon an der Tür, als sie sich noch
einmal umdrehte und Peter ansah.
»Du meinst das nicht wirklich ernst, oder? Dass
du nach Colorado willst.«
Die Frage klang zu einfach. Und dennoch deutete
alles auf diese Schlussfolgerung hin. Peter war zumute wie in dem Augenblick
vor der Bibliothek, als Theo ihn gefragt hatte: Wofür stimmst du?
»Denn wenn das so ist«, fuhr Sara fort, »dann
würde ich nicht mehr viel länger abwarten, sondern sie von hier wegbringen.«
Und damit war sie draußen.
Im Lichthaus wurde es sehr still. Peter wusste,
dass Sara recht hatte. Trotzdem konnte sein Verstand noch nicht das ganze
Ausmaß dessen, was sie da in Betracht zogen, in allen Details erfassen. Das
Mädchen Amy und die Stimme in seinem Kopf, die ihm sagte, dass seine Mutter ihn
vermisse. Die Akkus, die bald versagen würden, und dass Theo es gewusst hatte.
Der Funkspruch, den Michael aufgefangen hatte und der nicht nur durch den Raum,
sondern durch die Zeit kam und aus der Vergangenheit zu ihnen redete. Das
alles gehörte zu einem einzigen Stück, dessen Form trotzdem nicht erkennbar
war, als fehlte eine entscheidende Information in der gesamten Struktur.
Peter merkte, dass er Elton anstarrte. Der alte
Mann hatte noch kein Wort gesagt. Vielleicht war er eingeschlafen.
»Elton?«
»Hmm?«
»Du bist sehr still.«
»Was soll ich sagen?« Seine Augen bewegten sich
hin und her. »Du weißt, mit wem du sprechen musst. Ihr Jaxon-Jungs, ihr seid
alle gleich. Ich brauche es dir nicht zu sagen.«
Peter stand auf.
»Wo willst du hin?«, fragte Michael. »Ich hole
mir die Antwort«, sagte Peter.
Sanjay Patal konnte nicht schlafen. Er lag im
Bett, aber er konnte nicht einmal die Augen schließen.
Es war das Mädchen. Dieses Mädchen von
Nirgendwo. Sie war irgendwie in ihn hineingekommen, in seinen Kopf. Da war sie
mit Babcock und den Vielen - mit welchen Vielen?, fragte er sich, wieso dachte
er an die Vielen? -, und es war, als sei er jetzt jemand anders, jemand Neues,
der ihm fremd war. Er hatte ... ja, was hatte er gewollt? Ein bisschen
Frieden. Ein bisschen Ordnung, um das Gefühl zu vertreiben, dass alles nicht
das war, was es zu sein schien, dass die Welt nicht die Welt war. Was hatte
Jimmy über die Augen des Mädchens gesagt? Aber ihre Augen waren geschlossen,
das hatte er deutlich gesehen; ihre Augen waren geschlossen und öffneten sich
nie. Sie waren in ihm, diese Augen, als betrachte er alles aus zwei
Blickwinkeln, einmal von innen und einmal von außen, Sanjay und nicht Sanjay,
und was er sah, war ein Seil. Warum dachte er an ein Seil?
Er hatte Old Chou finden wollen. Darum hatte er
letzte Nacht das Haus verlassen, als Gloria in der Küche schlief. Der Drang,
Old Chou zu finden, hatte ihn aus dem Bett getrieben, die Treppe hinunter und
zur Tür hinaus. Die Scheinwerfer, erinnerte er sich. Kaum war er in den Hof
hinausgetreten, hatte ihr grelles Licht seine Augen erfüllt, war auf seiner
Netzhaut explodiert wie eine Bombe und hatte seinen Kopf mit einem Schmerz
versengt, der kein richtiger Schmerz war, sondern eher die
Weitere Kostenlose Bücher