Cronin, Justin
wartete ungeduldig auf Alicias Pfiff.
»Verdammt, wieso braucht sie so lange?«,
flüsterte Hollis neben ihm.
Es gab überhaupt kein Licht, und die dichte
Finsternis fühlte sich an wie etwas Lebendiges, wie etwas, das um sie herum
pulsierte. Peter wurde nervös. Der Schweiß prickelte in seinem Haar. Er holte
tief Luft und spannte den Finger schussbereit um den Abzug.
Eine Gestalt kam rasend schnell aus der
Dunkelheit auf sie zu.
»Platz da!«
Alicia hechtete kopfüber durch das Fenster nach
drinnen, und in dem Moment sah Peter, was los war: eine grün leuchtende Masse
rollte auf das Gebäude zu, mächtig wie eine sich aufbäumende Welle.
Virais. Die Straße war voller Virais.
Hollis feuerte los. Peter kam dazu, zwei Schuss
abzugeben, dann packte Alicia ihn beim Ärmel und zog ihn vom Fenster weg. »Es
sind zu viele! Wir müssen verschwinden!«
Sie hatten die Lobby nicht einmal zur Hälfte
durchquert, als sie einen lauten Aufprall hörten. Holz zersplitterte, der
Haupteingang wurde eingerissen. Caleb und Mausami rannten Richtung Kasino.
Alicia feuerte wie wild und deckte ihren Rückzug. Ihre Patronenhülsen
klimperten auf die Fliesen. Im Mündungsfeuer sah er Amy auf allen vieren beim
Klavier; sie tastete auf dem Boden umher, als habe sie etwas verloren. Ihre
Pistole. Aber es hatte keinen Sinn, sie jetzt zu suchen. Er packte Amy am Arm
und zog sie den Gang hinunter, hinter den anderen her. Wir sind tot, ging es
ihm durch den Kopf. Wir sind alle tot.
Wieder klirrte Glas, diesmal tief im Innern des
Gebäudes. Sie wurden in die Zange genommen. Bald wären sie umzingelt, verloren
in der Dunkelheit. Wie in der Mall, nur schlimmer, denn hier gab es kein
Tageslicht, in das sie sich flüchten konnten. Hollis war jetzt neben ihm. Vor
sich sah er den Lichtschein eines Leuchtstabs und Michaels Gestalt, der durch
das zerschmetterte Fenster eines Restaurants sprang. Als er dort ankam, sah er,
dass Caleb und Mausami schon drinnen waren. Er schrie Alicia zu: »Hierher!
Schnell!« Dann schob er Amy durch das Fenster. Michael verschwand am anderen
Ende des Raums durch eine Tür.
»Lauf ihnen einfach nach!«, rief er Amy zu.
»Lauf!«
Dann war Alicia bei ihm und zerrte ihn durch das
Fenster. Ohne stehen zu bleiben, zog sie einen neuen Leuchtstab aus ihrer
Tasche und knickte ihn über dem Knie. Sie rannten quer durch das Restaurant, Michael
hinterher.
Ein Korridor, schmal und niedrig wie ein Tunnel.
Hollis und die andern mussten irgendwo vor ihnen sein. Peter schwenkte den Arm
und rief ihre Namen. Der Kloakengestank war plötzlich stärker, beinahe
schwindelerregend. Peter und Alicia wirbelten herum, als der erste Viral hinter
ihnen durch die Tür kam. Das Mündungsfeuer blitzte im Gang.
Peter schoss blindlings in Richtung Tür. Der
Erste fiel, dann noch einer. Aber es kamen immer neue.
Er begriff, dass er jetzt abdrückte, ohne dass
etwas passierte. Sein Magazin war leer; er hatte die letzte Patrone
verschossen. Alicia zog ihn weiter. Eine Treppe führte hinunter in einen
weiteren Gang. Er prallte gegen die Wand und wäre fast gestürzt, aber irgendwie
rannte er weiter.
Der Gang endete an einer Schwingtür. Dahinter
war eine Küche. Die Treppe hatte sie in ein Kellergeschoss geführt, tief
hinunter in die Betriebsräume des Hotels. Reihen von Kupfertöpfen hingen an
der Decke über einem breiten Edelstahltisch, der im Licht von Alicias
Leuchtstab glänzte. Peter konnte kaum atmen. Die Luft war schwer von Dämpfen.
Er warf das leere Gewehr weg und riss eine Pfanne von der Decke, eine breite
Kupferpfanne, die schwer in den Händen lag.
Etwas war ihnen durch die Tür gefolgt.
Er fuhr herum und schwang rückwärts taumelnd die
Pfanne - eine Geste, die komisch ausgesehen hätte, wenn sie nicht so
verzweifelt gewesen wäre -, und er schirmte Alicia mit seinem Körper ab, als der
Viral auf den Tisch sprang und in die Hocke sank. Er war weiblich: An den
Fingern steckten Ringe wie bei dem Slim am Tisch. Er hielt die Hände
abgespreizt. Die langen Finger krümmten und streckten sich, und die Schultern
wiegten sich hin und her. Peter umklammerte die Pfanne jetzt wie einen Schild,
und Alicia drückte sich hinter ihn.
»Sie sieht sich!«, schrie Alicia.
Worauf wartete der Viral? Wieso hatte er noch
nicht angegriffen? »Ihr Spiegelbild!«, zischte Alicia. »Er sieht sein
Spiegelbild in der Pfanne!«
Jetzt wurde Peter bewusst, dass er ein neues
Geräusch hörte. Es kam von dem Viral - ein klagendes, nasales Stöhnen wie
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