Cronin, Justin
fünfzehnten Stock des Hotels und
sahen zu, wie die Nacht heraufzog. Ein paar panische Minuten lang hatte es
ausgesehen, als müssten sie sich im Erdgeschoss des Hotels verkriechen. Die
einzige Treppe, die sie gefunden hatten - am anderen Ende des Kasinos -, war
unpassierbar: Stühle, Tische, Matratzen, Koffer versperrten den Weg, verbogen
und zertrümmert, als sei der ganze Haufen aus großer Höhe herabgeworfen worden.
Hollis hatte dann vorgeschlagen, die Tür eines der Aufzüge aufzustemmen. Wenn
das Aufzugseil noch intakt wäre, hatte er erklärt, könnten sie ein, zwei
Stockwerke hinaufklettern, weit genug, um die Barrikade zu umgehen, und dann
könnten sie für den Rest des Weges die Treppe nehmen.
Es klappte. Aber dann, im sechzehnten Stock,
stießen sie auf eine zweite Barrikade. Die Treppe war von Patronenhülsen
übersät. Sie verließen das Treppenhaus und gelangten in einen dunklen Korridor.
Alicia zerknickte einen neuen Leuchtstab. Der Gang war von Türen gesäumt, und
auf einem Schild an der Wand stand: Ambassador Suite Level.
Peter deutete mit dem Gewehrlauf auf die erste
Tür. »Caleb, dein Auftritt.«
Im Zimmer waren zwei Leichen, ein Mann und eine
Frau. Sie lagen im Bett. Beide trugen Bademäntel und Pantoffeln. Auf dem Tisch
neben dem Bett stand eine offene Whiskeyflasche, deren Inhalt längst bis auf
einen braunen Bodensatz verdunstet war, und daneben lag eine Injektionsspritze.
Caleb sprach aus, was alle dachten: Er würde die Nacht nicht mit zwei Slims
verbringen, schon gar nicht mit Slims, die sich umgebracht hatten. Sie mussten
fünf Türen aufbrechen, bis sie eine fanden, hinter der keine Leichen lagen. Es
waren drei Zimmer, zwei mit einem Doppelbett und ein drittes, größeres mit
einer Fensterwand, durch die man über die Stadt hinwegsehen konnte. Peter trat
an die Scheibe. Das letzte Tageslicht badete alles in seinem orangegelben Glanz.
Er wünschte, sie wären noch höher, vielleicht sogar auf dem Dach, aber das
hier würde genügen müssen.
»Was ist das da drüben?«, fragte Mausami. Sie
zeigte über die Straße hinweg auf eine mächtige Stahlkonstruktion auf vier
Beinen, die sich nach oben zu einer dünnen Spitze verjüngte.
»Ich glaube, das ist der Eiffelturm«, sagte
Caleb. »Ich habe mal ein Bild in einem Buch gesehen.«
Mausami runzelte die Stirn. »Ist der nicht in
Europa?«
»In Paris.« Michael kniete auf dem Boden und
packte seinen Rucksack aus. »Paris, Frankreich.«
»Was macht er dann hier?«
»Was weiß ich?« Michael zuckte die Achseln.
»Vielleicht haben sie ihn umgesetzt.«
Zusammen schauten sie hinaus und sahen zu, wie
die Dunkelheit heraufstieg. In den Straßen fing sie an, dann erfasste sie die
Gebäude, dann die Berge am Horizont. Alles versank im Dunkeln wie in einer
Badewanne, die langsam volllief. Die Sterne kamen hervor. Niemand hatte Lust
zum Reden; allen war die prekäre Lage bewusst. Sara saß mit Hollis auf dem Sofa
und erneuerte den Verband an seinem Arm. Es war nicht so sehr das, was sie
sagte, sondern das, was sie nicht sagte, und wie sie mit schmallippiger
Effizienz ihre Arbeit verrichtete - jedenfalls sah Peter ihr an, dass sie sich
Sorgen um ihn machte.
Sie verteilten die Fertigmahlzeiten und legten
sich dann hin. Alicia und Sara erklärten sich bereit, die erste Wache zu
übernehmen, und Peter war zu erschöpft, um zu widersprechen. Weckt mich, wenn
es so weit ist, sagte er. Wahrscheinlich werde ich sowieso nicht schlafen.
Und er schlief auch nicht. Er lag in einem der
Schlafzimmer auf dem Boden, den Kopf auf den Rucksack gelegt, und starrte an
die Decke. Milagro, dachte er. Dies war Milagro. Amy saß in der Ecke an der
Wand und hielt ihre Glaskugel in der Hand. Ab und zu hob sie sie hoch und
schüttelte sie, und dann hielt sie sie dicht vor das Gesicht und sah zu, wie
der Schnee darin wirbelte und herabsank. In diesen Augenblicken fragte Peter
sich, was wohl in ihr vorging. Er hatte ihr erklärt, wohin sie wollten und
warum sie dort hingingen. Aber wenn sie wusste, was in Colorado war und wer das
Signal sendete, ließ sie es nicht erkennen.
Schließlich gab er es auf, einschlafen zu
wollen, und ging hinüber ins große Zimmer. Eine schmale Mondsichel stand über
den Gebäuden. Alicia stand am Fenster und beobachtete die Straße, und Sara saß
an einem kleinen Tisch und spielte Solitär. Ihr Gewehr lag quer auf ihrem
Schoß.
»Gibt's eine Sichtung da draußen?«
Sara runzelte die Stirn. »Würde ich dann Karten
spielen?«
Er setzte
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