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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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könnte
man sagen, ist uralte Vergangenheit.« Wieder eine Pause. »Erzähl. Wie schläfst
du?«
    »Was?«
    »Du hast mich verstanden. Gefällt dir die fette
Lady?« Theo stockte der Atem. »Was sagst du da?«
    »Die fiese alte Lady, Theo. Komm schon. Arbeite
mit mir. Wir kennen das alle. Die fette Lady in deinem Kopf.« Die Erinnerung
platzte in seinem Kopf wie eine verfaulte Frucht. Die Träume. Die dicke Frau in
der Küche. Da war eine Stimme vor seiner Tür, und sie wusste, wovon er träumte.
    »Ich muss gestehen, ich selbst konnte sie nie
besonders gut leiden«, sagte die Stimme. »Quack quack quackediquack, den ganzen
Tag. Und dieser Gestank. Was zum Teufel ist das?«
    Theo schluckte und versuchte, Ruhe zu bewahren.
Die Wände schienen näher zu rücken und ihn zu zerquetschen. Er ließ den Kopf
in die Hände sinken. »Ich kenne keine fette Lady«, brachte er hervor.
    »Nein, natürlich nicht. Wir haben das alle
durchgemacht. Du bist nicht der Einzige. Eine andere Frage.« Die Stimme senkte
sich zu einem Flüstern. »Hast du sie schon aufgeschlitzt, Theo? Mit dem Messer?
Bist du schon so weit gekommen?«
    Die Übelkeit packte ihn wie ein Strudel. Ihm
wurde plötzlich eng in der Brust. Das Messer, das Messer.
    »Bist du also nicht. Na, dann kommt's noch.
Alles zu seiner Zeit. Glaub mir, wenn dieser Teil kommt, geht's dir gleich viel besser. Es ist eine Art
Wendepunkt, könnte man sagen.«
    Theo hob den Kopf. Der Schlitz unten in der Tür
war noch offen, und er sah eine einzelne Stiefelspitze. Das Leder war so
abgescheuert, dass es fast weiß aussah.
    »Theo, hörst du mir zu da drinnen?«
    Er fixierte den Stiefel durchdringend, denn
jetzt war ihm eine Idee gekommen. Behutsam erhob er sich von seiner Pritsche
und schlich um den Suppenteller herum zur Tür. Dort ging er in die Hocke.
    »Hörst du, was ich sage? Denn ich rede hier von
echter Er-leichte-rung.«
    Theo warf sich nach vorn. Zu spät - seine Hand
griff ins Leere. Dann ein grell explodierender Schmerz. Etwas landete hart,
sehr hart, auf seinem Handgelenk. Ein Stiefelabsatz. Er quetschte die Knochen
platt, presste seine Hand auf den Boden, drehte sich mahlend hin und her. Sein
Gesicht wurde an den kalten Stahl der Tür gerissen.
    »Fuck!«
    »Tut weh, was?«
    Blitzende Funken tanzten vor seinen Augen. Er
wollte die Hand wegziehen, aber die Kraft, die sie niederdrückte, war zu groß.
Er war festgenagelt und hing mit der Hand im Türschlitz fest. Doch die
Schmerzen bedeuteten etwas. Sie bedeuteten, dass die Stimme real war. »Fahr ...
zur ... Hölle.«
    Wieder drehte sich der Absatz hin und her. Theo
schrie laut auf. »Der war gut, Theo. Was dachtest du,
wo du bist? Hölle heißt deine neue Adresse, mein Freund.«
    »Ich bin nicht... dein Freund«, japste er.
    »Oh, vielleicht nicht. Vielleicht im Moment
nicht. Aber du wirst es sein. Früher oder später bist du es.«
    Und der Druck auf Theos Hand hörte auf, einfach
so. Das Ende der Qual kam so plötzlich, dass es ein Gefühl des Wohlbehagens in
ihm auslöste. Theo riss den Arm aus dem Schlitz und fiel gegen die Wand. Keuchend
zog er das Handgelenk auf den Schoß und hielt es fest.
    »Denn ob du es glaubst oder nicht, es gibt
Dinge, die sind noch schlimmer als ich«, sagte die Stimme. »Schlaf gut, Theo.«
Und der Schlitz schloss sich mit einem Knall.
     
    Teil VIII
     
    Der Hafen
     
    Die Insel ist voll Lärm,
    Voll Tön' und süßer Lieder, die ergötzen
    Und niemand Schaden tun. Mir klimpern manchmal
    Viel tausend helle Instrument' ums Ohr,
    Und manchmal Stimmen, die mich, wenn ich auch
    Nach langem Schlaf erst eben aufgewacht,
    Zum Schlafen wieder bringen.
    Shakespeare, Der
Sturm
     
    47
     
    Sie waren jetzt seit Stunden unterwegs. Da sie
nur auf dem harten Bodenblech liegen konnten, war an Schlafen praktisch nicht
zu denken. Jedes Mal, wenn Michael die Augen schloss, fuhr der Truck über eine
Bodenwelle oder schleuderte hin und her, und er prallte irgendwo dagegen.
    Er hob den Kopf und sah einen matten Lichtschein
im einzigen Fenster des Laderaums, einem kleinen Bullauge aus verstärktem Glas
in der Hecktür. Sein Mund war staubtrocken, und er fühlte sich wie zerschlagen,
als habe jemand eine Nacht lang mit einem Hammer auf ihn eingeprügelt. Er
setzte sich auf, lehnte sich mit dem Rücken an die schwankende Wand des
Laderaums und rieb sich die verklebten Augen. Die andern lehnten in
verschiedenen unbequemen Positionen an ihren Rucksäcken. Jeder war irgendwie
verletzt, aber Alicia hatte es

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