Cronin, Justin
anscheinend am schlimmsten erwischt. Bleich und
mit schweißglänzendem Gesicht saß sie ihm gegenüber. Ihre Augen waren offen,
doch ihr Blick war kraftlos. Mausami hatte Alicia in der Nacht das verletzte
Bein gesäubert und verbunden, so gut es ging, aber Michael sah, dass sie schwer
verwundet war. Amy war die Einzige, die tatsächlich zu schlafen schien. Sie
hatte sich neben ihm auf dem Boden zusammengerollt und die Knie an die Brust
gezogen. Dunkles Haar lag wie ein Fächer auf ihrer Wange und flog mit dem
Geholper des Trucks hin und her.
Die Erinnerung kam zurück, unvermittelt wie ein
Schlag.
Seine Schwester Sara war fort.
Er erinnerte sich, dass er so schnell gerannt
war, wie er konnte, durch die Küche, hinaus auf die Laderampe und mit den
andern auf die Straße, aber sie waren umzingelt gewesen - Smokes überall, die ganze Straße war eine gottverdammte Smoke-Party gewesen
-, und dann war der Laster mit seinem riesigen Pflug auf sie zugekommen und
hatte seine Flammenstrahlen verspritzt. Einsteigen, einsteigen, schrie
die Frau auf dem Truck. Und es war gut, dass sie es getan hatte, denn in diesem
Augenblick war Michael gelähmt vor Angst. Wie angenagelt. Hollis und die
anderen brüllten, er solle kommen, doch Michael konnte keinen Finger rühren.
Als habe er vergessen, wie man sich bewegte. Der Truck war zehn Meter entfernt,
aber genauso gut hätten es tausend sein können. Er drehte sich um, und da
schaute ihm einer der Virais in die Augen und legte den Kopf so komisch schräg,
wie sie es oft taten. Alles bewegte sich plötzlich wie in Zeitlupe, und das
war nicht gut. O Mann, sagte
eine Stimme in seinem Kopf, o Mann o Mann o Mann o
Mann, und dann erfasste die Frau den Viral mit dem
Flammenwerfer und überzog ihn mit einem Strahl aus flüssigem Feuer. Der Viral
verbrutzelte wie ein Klumpen Fett. Michael konnte es tatsächlich knistern
hören. Dann hatte jemand an seiner Hand gezogen - ausgerechnet Amy. Sie war
überraschend stark, stärker, als er es bei diesem kleinen Ding vermutet hätte,
und sie hatte ihn in den Truck geschoben.
Jetzt war es Morgen. Er kippte nach vorn, als
der Wagen bremste. Amy riss die Augen auf, setzte sich auf und zog die Knie
wieder an die Brust. Sie starrte zur Tür.
Der Truck hielt an. Caleb spähte zu dem Fenster
hinaus.
»Was siehst du?« Peter hatte sich aufgerichtet.
Sein Haar war blutverklebt.
»Da ist irgendein Gebäude, aber es ist zu weit
weg.« Schritte polterten über das Dach. Die Fahrertür wurde geöffnet und wieder
geschlossen. Hollis griff nach seinem Gewehr. Peter hob die Hand. »Warte.«
Caleb schrie: »Da kommen sie ...«
Die Hecktür wurde aufgerissen, und das
Tageslicht blendete sie. Zwei Silhouetten standen da draußen. Sie hielten
Schrotflinten im Anschlag. Die Frau war jung und hatte kurzgeschorenes dunkles
Haar. Der Mann war sehr viel älter. Er hatte ein sanftes, breites Gesicht, eine
Knollennase und einen Drei-Tage-Bart. Beide trugen noch ihre klobige
Panzerung, was ihre Köpfe seltsam winzig erscheinen ließ.
»Gebt eure Waffen heraus!«
»Wer zum Teufel seid ihr?«, fragte Peter.
Die Frau spannte den Hahn an ihrem Gewehr.
»Alles. Auch die Messer.«
Sie legten ihre Waffen ab und schoben Gewehre
und Messer Richtung Hecktür. Viel mehr als einen Schraubenzieher hatte Michael
nicht mehr - er hatte sein Gewehr bei der Flucht aus dem Hotel verloren, ohne
das verdammte Ding ein einziges Mal abzufeuern -, aber auch den reichte er
hinüber. Wegen eines Schraubenziehers wollte er nicht erschossen werden. Die
Frau sammelte die Waffen ein, während der Mann, der noch kein Wort gesprochen
hatte, sie alle in Schach hielt. In der Ferne sah Michael die Umrisse eines
langgestreckten, niedrigen Gebäudes und dahinter eine kahle Hügellandschaft.
»Wo bringt ihr uns hin?«, wollte Peter wissen.
Die Frau hob einen Blecheimer auf und stellte
ihn auf den Boden des Trucks. »Wenn ihr pissen müsst, benutzt den.« Sie warf
die Tür zu.
Peter schlug mit der flachen Hand gegen die
Wand. »Fuck!«
Sie fuhren weiter. Die Temperatur stieg stetig
an. Der Truck wurde wieder langsamer und bog nach Westen ab. Lange Zeit ging es
über holpriges Gelände, und dann fuhren sie bergauf. Inzwischen war es im
Laderaum unerträglich heiß geworden. Sie tranken ihr letztes Wasser aus, und
niemand hatte den Eimer benutzt.
Peter hämmerte an die Wand zur Fahrerkabine. »Hey!
Wir werden hier drin gebraten!«
Die Zeit verging, und der Tag zog sich in die
Länge. Niemand sprach;
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