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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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hat alle.«
    Als Peter schwieg, fuhr Olson fort. »Babcock ist
stärker als jeder Viral, den ihr je gesehen habt, und die Leute werden nicht
auf unserer Seite sein. Ihn zu töten wird nicht einfach werden.«
    »Hat es jemals einer versucht?«
    »Einmal.« Olson zögerte. »Eine kleine Gruppe wie
wir. Vor vielen Jahren.«
    Peter wollte fragen, was passiert war, aber in
Olsons Schweigen lag die Antwort auf diese Frage. »Das hättest du uns sagen
müssen.«
    Olson sah plötzlich bedrückt und resigniert aus,
und Peter begriff, dass er eine Last trug, die viel schwerer war als Sorge oder
Trauer. Es war Schuld.
    »Peter. Wie hättest du dann reagiert?«
    Peter antwortete nicht. Er wusste es nicht.
Wahrscheinlich hätte er ihm nicht geglaubt. Er wusste nicht genau, was er jetzt
glaubte. Aber Amy sollte in den Ring, dessen war er sicher; er spürte es. Er
löste das Magazin aus der Pistole, blies darüber, um es zu säubern, schob es
wieder in den Griff und zog den Schlitten zurück. Dann sah er Alicia an. Sie
nickte. Alle waren bereit.

»Wir sind hier, um unsere Freunde
herauszuholen«, sagte er zu Olson. »Der Rest ist eure Sache.«
    Aber Olson schüttelte den Kopf. »Da irrst du
dich. Sobald ihr im Ring seid, ist unser Kampf derselbe. Babcock muss sterben.
Wenn wir ihn nicht töten, wird er die Vielen rufen. Dann kommt es auf den Zug
nicht mehr an.«
    Neumond. Babcock spürte, wie der Hunger in ihm
erwachte. Und er sandte seine Gedanken aus und sagte:
    Es ist Zeit.
    Es ist Zeit, Jude.
    Babcock machte sich auf. Babcock flog. In weiten
Sätzen und Sprüngen schwebte er über dem Wüstenboden, durchströmt von großem,
freudigem Hunger.
    Bringe sie zu mir. Bring mir einen und dann noch
einen. Bring sie mir, auf dass du lebst auf diese und auf keine andere Weise.
    In der Luft lag Blut. Er konnte es riechen,
schmecken, konnte fühlen, wie es ihn durchflutete. Zuerst würde das Blut der
Tiere kommen, lebendig und süß. Und dann würde sein Bester und Einziger, sein
Jude, der den Traum besser träumte als all die andern, dessen Geist mit ihm in
diesem Traum lebte wie ein Bruder - dann würde Jude ihm die Auserwählten
bringen, und Babcock würde ihr Blut trinken und satt werden.
    Mit einem Satz war er auf der Mauer.
    Ich bin hier.
    Ich bin Babcock.
    Wir sind Babcock.
    Er sprang hinunter und hörte den Aufschrei der
Menge. Um ihn herum loderten die Feuer auf. Hinter den Flammen waren die
Menschen. Durch die Lücke sah er die Tiere kommen, mit der Peitsche vorangetrieben,
die Augen furcht- und ahnungslos. Der Hunger trug ihn hoch wie eine Welle, und
er kam auf sie herab, reißend und beißend, erst eins, dann noch eins,
nacheinander und in glorreicher Sättigung.
    Wir sind Babcock.
    Jetzt hörte er die Stimmen. Den Gesang der Menge
in ihren Käfigen, hinter dem Ring der Flammen, und die Stimme seines Einen,
seines Jude, der oben auf dem Laufsteg stand und den Gesang anführte.
    »Bringt sie zu mir! Bringt mir einen und dann
noch einen! Bringt sie, auf dass wir leben ...«
    Eine Wand aus Klang, anschwellend in wilder
Einstimmigkeit: »... auf diese und auf keine andere Weise!«
    Zwei Gestalten erschienen. Sie stolperten voran,
gestoßen von anderen, die dann rasch zurückwichen. Hinter ihnen schlugen die
Flammen wieder hoch, ein Tor aus Feuer, das sich hinter ihnen schloss, damit er
sie töten konnte.
    Die Menge brüllte.
    »Ring! Ring! Ring!«
    Donnerndes Getrampel, ein Hämmern, das die Luft
beben ließ. »Ring! Ring! Ring!«
    Und dann fühlte er sie. In einer grellen,
schrecklichen Eruption fühlte er sie. Den Schatten hinter dem Schatten, den
Riss im Gewebe der Nacht. Sie, die die Saat in sich trug für alle Zeit, aber
nicht von seinem Blute war, nicht eine der Zwölf, nicht Zero.
    Das Mädchen namens Amy.
     
    Peter hörte das alles im Belüftungskanal. Das
Singen, das panische Kreischen der Rinder, und dann die Stille. Die Stille des
angehaltenen Atems angesichts eines Schauspiels, das jetzt beginnen würde.
Hitze wehte in Wellen an seinen Bauch herauf, und mit ihr kamen die
erstickenden Dünste von verbranntem Dieselöl. Das Rohr war gerade breit genug
für einen Mann, der auf den Ellenbogen voranrobbte. Irgendwo unter ihm in dem
Tunnel, der vom Ring zum Haupteingang des Gefängnisses führte, versammelten
sich Olsons Männer. Es war unmöglich, ihr Kommen zu koordinieren oder mit den
anderen zu kommunizieren, die in der Menge verteilt waren. Sie waren darauf
angewiesen, die Lage zu schätzen.
    Peter sah eine Öffnung

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