Cronin, Justin
Schachteln
Streichhölzer, der Erste-Hilfe-Kasten, eine Paraffinlampe, Saras Tagebuch und
nichts zu essen. Hollis meinte, wahrscheinlich gebe es hier Wild. Sie durften
keine Munition vergeuden, aber sie könnten ein paar Fallen aufstellen. Und
vielleicht würde sich in Caliente etwas Essbares finden lassen.
Theo schlief auf dem Boden im Maschinenraum. Er
hatte ihnen in groben Umrissen berichten können, was er noch wusste -
bruchstückhafte Erinnerungen an den Angriff in der Mall, die Zeit in der Zelle
und den Traum mit der Frau in der Küche und daran, wie er darum gekämpft hatte,
wach zu bleiben. An die höhnischen Besuche des Mannes, der ganz sicher Jude
gewesen war, dachte Peter. Aber das Reden hatte ihn sichtbar angestrengt, und
irgendwann war er in einen so tiefen Schlaf gesunken, dass Sara seinem Bruder
hatte versichern müssen, dass er noch atmete. Mausamis Wunde am Bein war
schlimmer, als sie behauptete, aber nicht lebensbedrohlich. Die Kugel - oder
wahrscheinlich eher ein Schrotprojektil - war seitlich durch ihren Oberschenkel
gefahren und hatte eine blutige Furche aufgerissen, aber sie war sauber
ausgetreten. Mit Nadel und Faden aus dem Erste-Hilfe-Kasten hatte Sara die
Wunde genäht und mit Spiritus aus einer Flasche gesäubert, die sie unter dem
Waschbecken in der winzigen Toilette der Lokomotive gefunden hatte. Es musste
höllisch wehgetan haben, doch Maus hatte alles mit stoischem Schweigen ertragen
und dabei zähneknirschend Theos Hand umklammert. Solange sie die Wunde
sauberhielt, meinte Sara, wäre alles in Ordnung. Mit etwas Glück würde sie in
ein, zwei Tagen sogar wieder mit dem Bein auftreten können.
Dann kam die Frage, wohin sie jetzt gehen
sollten. Hollis war es, der sie stellte, und Peter war verblüfft; er war nie
auf den Gedanken gekommen, dass sie einmal ihr Ziel aus den Augen verlieren
könnten. Für ihn stand fest, dass sie nach Colorado mussten, egal was sie da
erwarten mochte. Zum Umkehren war es jetzt ohnehin viel zu spät. Aber er
musste zugeben, dass Hollis nicht ganz unrecht hatte. Theo, Finn Darrell und
die Frau, von der Alicia und jetzt auch Mausami behaupteten, sie sei Liza Chou
gewesen - sie alle stammten aus der Kolonie. Sollten sie also zurückgehen und
die andern warnen? Und Mausami - selbst wenn ihr Bein in Ordnung war, konnte
sie denn wirklich zu Fuß weitergehen? Sie hatten keinen fahrbaren Untersatz
und fast keine Munition mehr. Und bald würden sie ins Gebirge kommen, wo das
Gelände unwegsamer wäre. Konnten sie von einer schwangeren Frau erwarten, dass
sie zu Fuß nach Colorado wanderte? Er stelle die Frage nur, sagte Hollis, weil
jemand es ja tun müsse. Er sei selbst unschlüssig, und andererseits seien sie
ja nun schon weit gekommen. Babcock, was immer er sein mochte, war noch da
draußen, und die Vielen waren auch da. Umzukehren sei daher auch nicht ohne
Risiko.
Sie saßen auf dem Boden vor der Lokomotive -
sieben Leute, denn Theo schlief noch in der Lok - und diskutierten über die
Möglichkeiten, die ihnen offenstanden. Zum ersten Mal spürte Peter so etwas
wie Unsicherheit in der Gruppe. Der Bunker mit seiner Fülle von Vorräten und
Material hatte ihnen ein Gefühl von Sicherheit gegeben - ein trügerisches
Gefühl vielleicht, aber es hatte genügt, um sie anzuspornen. Jetzt aber, ohne
Waffen und Fahrzeuge, ohne Proviant außer dem, was hier in der Wildnis zu
finden war, und vierhundert Kilometer weit von zu Hause entfernt, war ihnen
plötzlich doch nicht so wohl bei dem Gedanken, nach Colorado zu gehen. Und was
im Hafen vorgefallen war, hatte sie zutiefst erschüttert. Nie war es ihnen in
den Sinn gekommen, dass andere menschliche Überlebende, denen sie begegnen
könnten, sich als Hindernis erweisen würden. Oder dass ein Wesen wie Babcock -
ein Viral, aber auch sehr viel mehr, denn er hatte Macht über die andern - überhaupt
existieren konnte.
Es war keine Überraschung, dass Alicia
weitergehen wollte, ebenso wie Mausami - wenn auch nur, dachte Peter, um zu
beweisen, dass sie genauso tough wie Alicia war. Caleb erklärte, er werde sich
nach der Mehrheit richten, aber dabei sah er Alicia an; wenn es zur Abstimmung
käme, würde er ihr seine Stimme geben. Auch Michael sprach sich dafür aus,
weiterzugehen, und er erinnerte sie daran, dass die Akkus in der Kolonie
demnächst ausfallen würden. Darauf läuft das alles letzten Endes hinaus, sagte
er. Was ihn betreffe, sei Colorado die einzige wirkliche Hoffnung, die sie
noch hatten - zumal nach dem, was
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