Cronin, Justin
er wusste, was das war: Mit markerschütterndem
Kreischen und lautem Donnern sprangen die Wagen hinter ihnen aus dem Gleis,
flogen quer zueinander durch die Luft und rutschten dann wie eine eiserne
Lawine über den Wüstenboden, und alle darin waren tot, tot, tot.
Gegen Halbtag hielten sie an. Die Strecke war zu
Ende, sagte Michael und stellte die Maschine ab. Auf den Karten, die Billie
ihnen gezeigt hatte, war zu sehen, dass das Gleis bei der Stadt Caliente
endete. Sie hatten Glück, dass die Lokomotive sie so weit gebracht hatte. Wie
weit?, fragte Peter. Vierhundert Kilometer, sagte Michael, schätzungsweise.
Siehst du die Bergkette? Er deutete durch den Schlitz vor der Frontscheibe. Das
ist Utah.
Sie stiegen aus und sahen, dass sie auf einer
Art Güterbahnhof waren. Überall waren Gleise mit abgestellten
Schienenfahrzeugen - Lokomotiven, Kesselwagen, Flachwagen. Das Land hier war
weniger trocken. Es gab hohes Gras und Pappeln, und ein leichter Wind spendete
Kühlung. Irgendwo in der Nähe floss Wasser, und sie hörten Vögel zwitschern.
»Das kapiere ich nicht«, sagte Alicia in die
Stille hinein. »Wohin wollten sie denn?«
Peter hatte unterwegs geschlafen, als klar war,
dass die Virais ihnen nicht weiter folgten, und im Morgengrauen war er
zusammengerollt auf dem Boden neben Theo und Mausami aufgewacht. Michael war
die ganze Nacht wach gewesen. Die Strapazen der letzten paar Tage waren allen
anzumerken. Olson hatte vielleicht auch ein Auge zugemacht, aber Peter
bezweifelte es. Der Mann hatte noch kein Wort gesprochen, und jetzt saß er nur
da und starrte ins Leere. Als Peter ihm von Mira berichtet hatte, hatte er
sich nicht nach Einzelheiten erkundigt; er hatte nur genickt und gesagt:
»Danke, dass du es mir sagst.«
»Irgendwohin«, antwortete Peter nach einer
Weile. Er wusste nicht genau, was er empfand. Die Ereignisse der vergangenen
Nacht - ja die ganzen vier Tage im Hafen - waren wie ein Fiebertraum. »Ich
glaube, sie wollten einfach ... irgendwohin.«
Amy war spazieren gegangen. Eine Zeitlang
beobachteten alle sie, wie sie durch das windbewegte Gras wanderte.
»Glaubt ihr, sie begreift, was sie getan hat?«,
fragte Alicia.
Es war Amy gewesen, die die Kupplung gelöst
hatte. Der Schalter war am hinteren Ende des Maschinenraums. Wahrscheinlich war
er mit irgendeinem Zünder an einer Tonne Dieselöl oder Kerosin verbunden,
hatte Michael vermutet. Das hätte genügt. Eine Notsicherung für den Fall, dass
der Zug überrannt wurde. Es leuchtete ein, sagte Michael, wenn man darüber
nachdachte.
Vermutlich leuchtete es ein, dachte Peter. Aber
niemand konnte erklären, wie Amy davon hatte wissen können und was sie
veranlasst hatte, diesen Schalter tatsächlich zu betätigen. Es überstieg wie
alles andere an ihr jedes normale Fassungsvermögen. Wieder einmal war es ihr zu
verdanken, dass sie alle noch lebten.
Peter beobachtete sie lange. Im hüfthohen Gras
schien sie zu schweben. Sie hatte die Arme ausgebreitet und strich mit den
Händen über die fedrigen Ähren. Seit vielen Tagen hatte er nicht mehr an das gedacht,
was auf der Krankenstation passiert war, aber als er jetzt zusah, wie sie sich
durch das Gras bewegte, durchflutete ihn die Erinnerung an jene seltsame Nacht.
Was mochte sie zu Babcock gesagt haben, als sie vor ihm stand? Es war, als sei
sie Teil zweier Welten. Die eine konnte er sehen, die andere nicht, und in der
anderen, verborgenen Welt lag der Sinn ihrer Reise.
»Viele Leute sind gestorben letzte Nacht«, sagte
Alicia.
Peter atmete ein. Die Sonne schien, aber ihm war
mit einem Mal kalt. Noch immer beobachtete er Amy, doch im Geiste sah er Mira,
wie sie auf dem Dach des Wagens lag und wie die Klaue des Virais nach ihr griff
und sie fortriss. Die leere Stelle, wo sie gewesen war. Und er hörte den Klang
ihrer Schreie, als sie verschwand.
»Ich glaube, sie waren schon lange tot«, sagte
er. »Eins steht fest: Wir können nicht hierbleiben. Mal sehen, was wir noch
haben.«
Sie breiteten ihre Ausrüstung auf dem Boden vor
der Lok aus und machten eine Bestandsaufnahme. Viel war es nicht: ein halbes
Dutzend Schrotgewehre, zwei Pistolen mit ein paar Schuss Munition, ein automatisches
Gewehr, zwei Magazine für das Gewehr und fünfundzwanzig Patronen für die
Schrotflinten, sechs Messer, acht Gallonen Wasser in Containern und einiges
mehr im Wassertank der Lokomotive, ein paar hundert Gallonen Dieselöl, aber
kein Fahrzeug, um es zu transportieren, zwei Plastikplanen, drei
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