Cronin, Justin
sie im Hafen erlebt hatten.
Damit blieben Hollis und Sara. Hollis war
anzusehen, dass er davon überzeugt war, sie sollten zurückkehren. Aber er
sprach es nicht aus, und das ließ vermuten, dass er ebenso wie Peter fand, die
Entscheidung müsse einstimmig getroffen werden. Sara, die mit angezogenen
Beinen neben ihm im Schatten der Lok saß, schien weniger sicher zu sein. Blinzelnd
spähte sie über das Feld hinweg zu Amy, die immer noch allein hin und her lief.
Peter wurde klar, dass er ihre Stimme schon seit Stunden nicht mehr gehört
hatte.
»Ich erinnere mich jetzt wieder an ein paar
Dinge«, sagte Sara plötzlich. »Wie der Viral mich geholt hat. Jedenfalls
bruchstückhaft.« Sie hob die Schultern; halb war es ein Achselzucken, halb ein
Schauder, und Peter wusste, dass sie nicht weiter darüber sprechen wollte.
»Hollis hat nicht ganz unrecht. Und was du sagst, Maus, zählt nicht: In deiner
Verfassung solltest du besser gar nicht hier sein. Trotzdem stimme ich Michael
zu. Wenn du meine Stimme haben willst, Peter - dann hast du sie hiermit.«
»Also gehen wir weiter.«
Sie schaute zu Hollis hinüber, und der nickte.
»Ja. Wir gehen weiter.«
Das nächste Problem war Olson. Peters Misstrauen
gegen den Mann war nicht kleiner geworden, und auch wenn niemand es
ausgesprochen hatte, stellte der Mann ein Risiko dar - und sei es nur das
Risiko des Selbstmords. Seit die Lokomotive stand, hatte er sich kaum von der
Stelle gerührt. Er saß vor der Lok auf dem Boden und starrte mit leerem Blick
in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Von Zeit zu Zeit strich er mit den
Fingern durch die lockere Erde, nahm eine Handvoll davon und ließ sie durch die
Finger rieseln. Es sah aus, als wäge er seine Möglichkeiten gegeneinander ab;
keine davon sah besonders gut aus, und Peter ahnte, in welche Richtung seine
Gedanken gingen.
Hollis nahm Peter beiseite, als sie ihre Sachen
einpackten. Die Schusswaffen lagen jetzt auf einer der Planen neben einem
Haufen Munition. Sie hatten beschlossen, die Nacht in der Lok zu verbringen,
wo sie so sicher waren wie irgendwo sonst, und am nächsten Morgen zu Fuß
weiterzugehen.
»Was sollen wir mit ihm anfangen?«, fragte
Hollis leise und deutete mit dem Kopf auf Olson. Er hielt eine der Pistolen in
der Hand. Peter hatte die andere. »Wir können ihn nicht einfach hierlassen.«
»Ich schätze, er kommt mit.«
»Vielleicht will er nicht.«
Peter dachte kurz darüber nach. »Lass ihn in
Ruhe«, sagte er schließlich. »Wir können nichts tun.«
Es war am späten Nachmittag. Caleb und Michael
waren hinter der Lok verschwunden, um mit einem Schlauch, den sie in einem
Schrank im hinteren Teil gefunden hatten, Wasser aus dem Tank abzuzapfen. Peter
sah, wie Caleb eine Klappe unter der Lok betrachtete. Sie war ungefähr einen
Quadratmeter groß.
»Was ist das?«, fragte er Michael.
»Eine Zugangsluke. Da ist ein Kriechtunnel unter
dem Boden.«
»Was drin, das wir gebrauchen können?«
Michael zuckte die Achseln. Er war mit dem
Schlauch beschäftigt. »Weiß ich nicht. Sieh mal nach.«
Caleb ging in die Knie und drehte am Griff. »Er
klemmt.«
Peter, der das alles aus fünf Metern Entfernung
beobachtete, spürte plötzlich ein Prickeln auf seiner Haut. Irgendetwas in ihm
zog sich zusammen. Augen überall! »Hightop ...«
Die Klappe flog auf, und Caleb flog rückwärts zu
Boden. Eine Gestalt rollte sich aus der Luke.
Jude.
Alle griffen nach einer Waffe. Jude taumelte auf
sie zu und hob eine Pistole. Sein Gesicht war zur Hälfte weggerissen; man sah
eine breit verschmierte Fläche von rohem Fleisch und glitzerndem Knochen. Das
eine Auge war weg, nur ein schwarzes Loch war noch da. In diesem scheinbar
endlosen Augenblick sah er aus wie ein unmögliches Wesen, halb lebendig, halb
tot.
»Ihr Drecksäcke!«, fauchte Jude.
Er drückte ab, als Caleb vor ihm auftauchte und
nach der Waffe greifen wollte. Die Kugel traf den Jungen in die Brust und
wirbelte ihn herum. Im selben Augenblick hatten Peter und Hollis den Abzug
ihrer Waffen gefunden, und das Mündungsfeuer beleuchtete Jude in einem
irrsinnigen Tanz.
Sie schossen beide Magazine leer, bevor er
zusammenbrach.
Caleb lag mit dem Gesicht nach oben im Sand und
presste eine Hand auf die Stelle, wo die Kugel eingedrungen war. Seine Brust
hob und senkte sich flach und ruckartig. Alicia warf sich neben ihn auf den
Boden.
»Caleb!«
Blut quoll zwischen den Fingern des Jungen
hindurch. Sein Blick war in den leeren Himmel gerichtet, und seine
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