Cronin, Justin
kam. »Er wollte dich nicht mitgehen lassen, was?« Peter konnte
nur den Kopf schütteln. »Mich auch nicht«, sagte Michael.
61
Sie warteten den ganzen Tag und bis in den
nächsten hinein. Mit einer einzigen Einheit als Bewachung wirkte das Camp
seltsam leer und einsam. Amy und Sara konnten sich frei umherbewegen, aber
wohin sollten sie gehen? Sie konnten nur warten. Amy war in ein so tiefes
Schweigen verfallen, dass Peter sich fragte, ob er ihre Stimme nicht überhaupt
geträumt hatte. Den ganzen Tag saß sie auf ihrer Pritsche im Zelt und starrte
konzentriert vor sich hin. Als Peter es nicht länger aushielt, fragte er sie,
ob sie wisse, was da draußen vor sich ging.
Ihre Stimme kam wie von ferne. Sie sah ihn an
und zugleich durch ihn hindurch. »Sie sind verloren. Im Wald verloren.«
»Wer, Amy? Wer ist verloren?«
Erst jetzt schien sie ihn wahrzunehmen und in
die Gegenwart zurückzukehren. »Gehen wir bald weiter, Peter?«, fragte sie.
»Ich würde nämlich gern weitergehen.« Sie lächelte versonnen. »Und Schneeengel
machen.«
Es war mehr als nur verwirrend, es trieb einen
in den Wahnsinn. Zum ersten Mal war Peter tatsächlich wütend auf sie. Noch nie
hatte er sich so hilflos gefühlt. Er hatte sich mit seiner Unentschlossenheit
selbst festgenagelt. Sie hätten schon vor Tagen weitergehen sollen, und jetzt
saßen sie hier in der Falle. Er konnte nicht weg von hier, ohne zu wissen, ob
Alicia wohlauf war.
Peter stürmte aus dem Frauenzelt und ging weiter
rastlos im Camp umher, um die Stunden der Untätigkeit auszufüllen. Er mochte
mit niemandem reden und hielt sich abseits. Der Himmel war klar, aber auf den
Berggipfeln im Osten glänzte das Eis. Inzwischen sah es aus, als würden sie die
Garnison vielleicht überhaupt nicht mehr verlassen.
Und dann, am Morgen des dritten Tages, hörte er
Motorengeräusch. Er rannte zur Leiter und kletterte auf die Umzäunung hinauf.
Der Truppführer, Eustace, spähte durch ein Fernglas nach Süden. Er war der
Einzige, der sich überhaupt dazu herabließ, mit Peter zu sprechen, und auch er
beschränkte sich auf kurze, knappe Antworten.
»Sie sind es«, sagte Eustace. »Ein paar
jedenfalls.«
»Wie viele?«, fragte Peter.
»Sieht aus wie zwei Einheiten.«
Die Männer, die durch das Tor hereinkamen, waren
dreckig und erschöpft. Man sah ihnen die Niederlage an. Alicia war nicht
dabei. Am Ende der Kolonne, immer noch zu Pferde, war Major Greer. Hollis und
Michael kamen aus ihrem Zelt gerannt. Greer stieg leicht benommen ab und trank
in tiefen Zügen aus einer Wasserflasche, bevor er sprach.
»Sind wir die Ersten?«, fragte er Peter. Er
schien nicht genau zu wissen, wo er war.
»Wo ist Alicia?«, wollte Peter wissen.
»Gott, was für eine Scheiße. Der ganze verdammte
Berghang ist eingebrochen. Sie sind von allen Seiten über uns hergefallen. Wir
waren eingekesselt.«
Peter konnte sich nicht länger zurückhalten. Er
packte Greer bei den Schultern und zwang den Mann, ihm in die Augen zu sehen.
»Verflucht, sagen Sie mir, wo sie ist!«
Greer ließ es sich gefallen. »Ich weiß es nicht,
Peter. Es tut mir leid. Im Dunkeln sind wir alle voneinander getrennt worden.
Sie war bei Vorhees. Wir haben einen ganzen Tag am Sammelplatz gewartet, aber
sie sind nicht aufgetaucht.«
Wieder mussten sie warten. Es war unerträglich
und machte ihn rasend. Noch nie hatte Peter sich so ohnmächtig gefühlt. Kurze
Zeit später kam ein Ruf von dem Beobachtungsposten am Zaun.
»Noch zwei Einheiten!«
Peter saß in der Messe in einem Nebel von
Sorgen. Er sprintete hinaus und war am Tor, als der erste Truck auf das
Gelände fuhr. Es war der, auf dem die Bomben gewesen waren; die Winde war noch
da, und der leere Haken schwang hin und her. Vierundzwanzig Mann - aus drei
Einheiten waren zwei geworden. Peter suchte unter den matten Gesichtern nach
Alicia.
»Gefreiter Donadio! Weiß jemand, wo der Gefreite
Donadio ist?«
Niemand wusste es. Alle erzählten die gleiche
Geschichte: Die Bomben waren explodiert, der Boden unter ihnen war
aufgerissen, die Virais waren herausgeströmt, und alle waren
auseinandergelaufen. Im Dunkeln verschwunden. Manche behaupteten, sie hätten
Vorhees sterben sehen, andere sagten, er sei bei Einheit Blau gewesen. Aber
Alicia hatte niemand gesehen.
Der Tag zog sich hin. Peter lief auf dem
Exerzierplatz auf und ab, ohne mit jemandem zu sprechen. Als höchster Offizier
hatte Greer jetzt das Kommando. Er redete kurz mit Peter und ermunterte ihn,
die
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