Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
Vom Netzwerk:
bis zum nächsten Sommer abzuwarten und dann mit den
Soldaten loszuziehen. Er würde mit der Heeresleitung sprechen und sie
überreden, eine richtige Expedition auszurüsten. Was immer dort war, wo Peter
hinwollte, meinte Greer, ist schon sehr lange dort. Sicher kann es auch noch
ein Jahr warten.
    Am Abend des zweiten Tags nach Alicias Rückkehr
kam Peter in sein Zelt und traf Hollis allein an. Er saß auf seiner Pritsche
und hatte einen Winterparka über seine Schultern gelegt. Auf dem Schoß hielt
er eine Gitarre.
    »Wo hast du die gefunden?«
    Hollis zupfte an den Saiten herum und runzelte
konzentriert die Stirn. Er blickte auf und lächelte durch seinen dichten Bart.
»Einer von den Ölhänden hatte sie. Ein Freund von Michael.« Er blies in die
Hände und spielte noch ein paar Töne. Peter konnte mit der Melodie nichts
anfangen. »Es ist so lange her, dass ich dachte, ich kann es nicht mehr.«
    »Ich wusste nicht, dass du es konntest.«
    »Ich kann's auch nicht, nicht richtig
jedenfalls. Arlo war immer derjenige.«
    Peter setzte sich ihm gegenüber auf ein
Feldbett. »Na los. Spiel was.«
    »Ich habe keine Ahnung mehr. Ein oder zwei
Lieder ...«
    »Dann spiel die. Irgendetwas.«
    Hollis zuckte die Achseln, aber Peter sah ihm
an, dass er sich freute, weil er darum gebeten wurde. »Aber sag nicht, ich
hätte dich nicht gewarnt.«
    Hollis machte irgendetwas mit den Saiten. Er
drehte sie straffer und schlug sie prüfend an, und dann atmete er tief durch
und fing an zu spielen. Es dauerte ein Weilchen, bis Peter erkannte, was er
hörte: Es war eins von Arlos lustigen, selbst gemachten Liedern, die er den
Kleinen in der Zuflucht vorgespielt hatte, aber es war auch irgendwie anders.
Das Gleiche und doch nicht das Gleiche. Unter Hollis' Händen klang es dunkler
und voller, wehmütig und traurig. Peter legte sich zurück und ließ die Musik
über sich hinwegströmen. Als das Lied zu Ende war, spürte er die Töne immer
noch wie ein sehnsüchtiges Vibrieren in der Brust.
    »Es ist okay«, sagte er. Er atmete tief ein und
starrte auf die durchhängende Leinwand des Zeltdachs. »Du und Sara, ihr
solltet mit dem Konvoi fahren. Michael auch - ich glaube nicht, dass sie ohne
ihn fährt.
    Hollis schwieg lange. Die Melodie des Liedes
schien immer noch um ihn herumzuschweben.
    »Es stimmt, was Vorhees gesagt hat, als wir hier
ankamen. Über seine Männer und den Eid, den sie ablegen. Er hatte recht. Ich
tauge nicht mehr für so etwas, falls ich es überhaupt je getan habe. Ich liebe
sie wirklich, Peter.«
    »Du brauchst es mir nicht zu erklären. Ich freue
mich für euch beide. Und ich bin froh, dass ihr euch gefunden habt.«
    »Was wirst du tun?«, fragte Hollis.
    Die Antwort lag auf der Hand. Trotzdem musste
sie ausgesprochen werden. »Das, was wir vorhatten.« Es war seltsam. Peter war
traurig, doch da war noch etwas anderes.
    Er hatte plötzlich Frieden gefunden. Die
Entscheidung lag hinter ihm, und er war befreit. Vielleicht hatte sein Vater
das Gleiche empfunden, in der Nacht vor seinem letzten Ritt. Peter sah zu, wie
das Zeltdach im Winterwind flatterte, und dachte an das, was Theo in jener
Nacht im Kraftwerk gesagt hatte, als sie im Kontrollraum am Tisch gesessen und
Schnaps getrunken hatten. Unser Vater ist nicht da
rausgeritten, um seinem Leben ein Ende zu setzen. Wer das glaubt, weiß nicht
das Geringste über ihn. Er hat es getan, weil er die Ungewissheit nicht länger
ertragen konnte. Nicht eine Minute länger. Es
war der Frieden der Wahrheit, den Peter empfand, und darüber war er zutiefst
froh.
    Durch die Zeltwand hörte Peter das Brummen der
Generatoren, die Rufe der Wache. Noch eine Nacht, und alles würde still sein.
    »Ich kann es dir nicht ausreden, was?«, sagte
Hollis.
    Peter schüttelte den Kopf. »Tut mir nur einen
Gefallen.«
    »Was du willst.«
    »Folgt mir nicht.«
     
    Er fand den Major in dem Zelt, das Vorhees
gehört hatte. Peter und Greer hatten seit Alicias Rückkehr kaum miteinander gesprochen.
Nach dem gescheiterten Einsatz wirkte der Major schwermütig, und Peter hatte
Abstand gehalten. Er wusste, dass es nicht nur die Bürde des Kommandos war,
was den Mann drückte. In den vielen Stunden, die er mit den beiden Männern
verbracht hatte, war deutlich geworden, wie eng sie miteinander verbunden
waren. Es war Trauer, was Greer verspürte. Trauer um seinen verlorenen Freund.
    Im Zelt brannte Licht.
    »Major Greer?«
    »Herein.«
    Peter trat durch die Zeltklappe. Drinnen glühte
die Wärme des

Weitere Kostenlose Bücher