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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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hatte offenbar keine Ahnung,
wie er ihr helfen sollte: Er stand immer nur mit den Händen in den Taschen
herum und sah hilflos und verloren aus. Keiner wusste im Grunde, was er tun
sollte - außer Van Heising, dem Vampirjäger. Er sah nicht aus wie die Jäger,
die Peter kannte. Er war ein alter Mann mit dicken Brillengläsern und neigte zu
ungeheuer hochtrabenden Verlautbarungen, die den lautesten Spott der Soldaten
auf sich zogen: »Gentlemen, wir haben es hier mit dem Undenkbaren zu tun!« und
»Der Aberglaube von gestern kann schon heute wissenschaftliche Realität sein!«
Jedes Mal gellten die Pfiffe, aber vieles von dem, was Van Heising sagte,
schien doch zu stimmen, fand Peter, vor allem, als er behauptete, der Vampir
sei »eine Kreatur, deren Leben unnatürlich verlängert ist«. Besser konnte man
die Smokes nicht beschreiben. Er fragte sich, ob Van Heisings Trick mit dem
Spiegel in der Schmuckschatulle vielleicht eine Variante dessen war, was mit
der Bratpfanne in Las Vegas passiert war, und ob es stimmte, dass ein Vampir
»jede Nacht in heimischer Erde schlafen« müsse. Kehrten die Befallenen
vielleicht deshalb immer nach Hause zurück? Manchmal kam ihm der Film vor wie
ein Lehrbuch. Vielleicht war es überhaupt keine erfundene Geschichte, sondern
ein Bericht über etwas, das passiert war.
    Das Mädchen, Mina Harker, wurde befallen. Harker
und Van Heising folgten dem Vampir in sein Nest, einen feuchten Keller. Peter
begriff, worauf die Geschichte hinauslaufen würde: Sie würden ihn erlösen.
Sie würden Mina jagen und töten, und Harker, Minas Ehemann, würde diese
schreckliche Pflicht übernehmen müssen. Peter machte sich auf alles gefasst.
Die Soldaten waren jetzt still geworden; ihre Albernheiten hatten aufgehört,
und wider Willen waren sie gefesselt von den letzten, düsteren Entwicklungen
der Geschichte.
    Das Ende bekam er nicht zu sehen. Ein Soldat kam
hereingestürzt.
    »Scheinwerfer an! Rettungseinsatz am Tor!«
    Sofort war der Film vergessen. Alle Soldaten
sprangen auf. Waffen tauchten auf - Pistolen, Gewehre, Messer. In der
allgemeinen Hast stolperte jemand über das Stromkabel des Projektors, und die
Kantine versank in der Dunkelheit. Alle drängten, schrien, brüllten Befehle.
Peter hörte, wie draußen geschossen wurde. Als er hinter den andern ins Freie
kam, sah er zwei Leuchtraketen, die über den Zaun und den schlammigen Vorplatz
am Eingangstor flogen. Michael rannte mit Sancho an ihm vorbei. Peter packte
ihn beim Arm. »Was ist los? Was ist passiert?«
    Michael ließ sich nicht aufhalten. »Einheit
Blau!«, rief er. »Komm mit!«
    Aus dem Chaos in der Kantine war plötzlich
Ordnung geworden. Jeder wusste, was er zu tun hatte. Die Soldaten hatten
erkennbare Gruppen gebildet; einige kletterten eilig die Leitern zu dem
schmalen Brettergang entlang des Zauns hinauf, andere gingen hinter einer
Sandsackbarrikade am Tor in Stellung. Wieder andere schwenkten die
Scheinwerfer und richteten sie auf das Schlammfeld vor dem Tor.
    »Da kommen sie!«
    »Aufmachen!«, schrie Greer am Fuße des Zauns.
»Macht das verdammte Tor auf!«
    Entlang des Zauns ging ein ohrenbetäubendes
Sperrfeuer los. Ein halbes Dutzend Soldaten sprang zu den Seilen, die über ein
System von Winden und Flaschenzügen mit dem Tor verbunden waren. Einen Moment
lang war Peter gebannt von der koordinierten Eleganz dieses Schauspiels und der
routinierten Schönheit der synchronen Bewegungen. Die Soldaten packten die
Seile und zogen daran, und die Torflügel begannen sich zu öffnen und gaben den
Blick auf das lichtüberflutete Gelände und eine Gruppe von Gestalten frei, die
auf das Tor zurannten. Alicia war an der Spitze. In vollem Lauf stürmten die
sechs durch das Tor und warfen sich zu Boden, während die Männer hinter den
Sandsäcken einen Hagel von Kugeln über ihre Köpfe hinwegfeuerten. Wenn Virais hinter
ihnen waren, konnte Peter sie nicht sehen. Alles ging zu schnell, war zu laut -
und dann war es einfach vorbei: Das Tor hatte sich hinter ihnen geschlossen.
    Peter rannte zu Alicia. Keuchend kauerte sie auf
allen vieren im Schlamm. Die Tarnfarbe rann ihr über das Gesicht, und ihr
kahler Schädel glänzte wie poliertes Metall im harten Licht der Scheinwerfer.
    Sie richtete sich auf den Knien auf, und ihre
Blicke trafen sich. »Peter, ihr müsst sofort von hier verschwinden.«
    Oben fielen ein paar letzte, halbherzige
Schüsse. Die Virais hatten sich zerstreut und aus dem Scheinwerferlicht
zurückgezogen.
    »Ich mein's

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