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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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erwachsen.« Ihr Blick
ging an Amy vorbei zu Peter, und erst jetzt schien sie ihn zu bemerken. »Und da
ist er ja, dein Peter.« Erstaunt schüttelte sie den Kopf. »Ich hab's gewusst.
Weißt du noch, Amy, wie ich dich gefragt habe, wer ist Peter? Das war, als ich
dich das erste Mal gesehen habe. Du warst noch sehr klein.«
    Jetzt liefen Amy die Tränen über das Gesicht.
»Ich habe ihn allein gelassen.«
    »Sschh. Es ist alles so, wie es sein musste.«
    »Er hat gesagt, ich soll weglaufen!«, rief sie.
»Ich habe ihn allein gelassen! Ich habe ihn allein gelassen!«
    Die Frau drückte Amys Hände. »Und du wirst ihn
wiederfinden, Amy. Deshalb bist du doch hergekommen, oder? Ich war nicht die
Einzige, die über dich gewacht hat in all den vielen, vielen Jahren. Die
Traurigkeit, die du fühlst, ist nicht deine eigene. Es ist seine Traurigkeit,
die du in deinem Herzen spürst, Amy. Er vermisst dich.«
    Die Sonne war untergegangen. Kalte Dunkelheit drängte
sich heran, als sie so im Schnee vor dem Haus der Frau standen. Trotzdem war Peter
außerstande, sich zu bewegen oder zu sprechen. Dass er in dem, was hier
geschah, eine Rolle spielte, daran zweifelte er nicht, aber er wusste nicht,
welche.
    Endlich fand er seine Stimme wieder. »Sag es
mir«, bat er. »Bitte. Sag mir, wer du bist.«
    Die Augen der Frau funkelten plötzlich
mutwillig. »Wollen wir es ihm sagen, Amy? Wollen wir deinem Peter sagen, wer
ich bin?«
    Amy nickte, und die Frau sah Peter mit
strahlendem Lächeln an.
    »Ich bin die, die auf euch gewartet hat«, sagte
sie. »Mein Name ist Schwester Lacey Antoinette Kudoto.«
     
    63
     
    Der Gefreite Sancho würde sterben.
    Sara fuhr am Ende des Konvois in einem der
großen Lastwagen. An den Seitenwänden an der Ladefläche waren Kojen für die
Verwundeten aufgehängt. Die Ladefläche selbst war mit Ausrüstungskisten vollgestellt,
und Sara konnte sich nur mit Mühe zwischen ihnen hindurchzwängen, um zu tun,
was in ihrer Macht stand.
    Den anderen, Withers, hatte es nicht so schlimm
erwischt. Die meisten Brandwunden hatte er an Armen und Händen. Wahrscheinlich
würde er überleben, wenn er keine Sepsis bekäme. Aber nicht Sancho.
    Irgendetwas war schiefgegangen, als sie die
Bombe hinabgelassen hatten. Ein Drahtseil hatte sich verklemmt. Der Zünder
hatte nicht funktioniert. Irgendetwas. Sara hatte die Geschichte
bruchstückweise von verschiedenen Leuten gehört, und jeder hatte die Ereignisse
in einer geringfügig anderen Version geschildert. Sancho war derjenige
gewesen, der in den Schacht hinabgestiegen war; an einem Gurt hatte er sich am
Drahtseil hinuntergelassen, um in Ordnung zu bringen, was immer da haken
mochte, und er war noch unten gewesen oder gerade wieder heraufgekommen, Withers
hatte nach ihm gegriffen, um ihn herauszuziehen, als die Öltonnen
explodierten.
    Die Flammen hatten ihn völlig eingehüllt. Sara
sah den Weg, den das Feuer an seinem Körper herauf genommen hatte. Die Uniform
war mit seinem Fleisch verschmolzen, und dass Sancho noch lebte, war ein
Wunder, dachte Sara - allerdings keins, das ihn retten würde: Noch immer konnte
sie seine Schreie hören, als sie mit Hilfe von zwei Soldaten die verkohlten
Überreste seiner Kleidung abgeschält und dabei den größten Teil der Haut an
Brust und Beinen mit abgezogen hatte. Und dann wieder, als sie die Brandwunden
nach besten Kräften gesäubert und das rohe, rote Fleisch darunter bloßgelegt
hatte. Schon hatten die Wunden an Beinen und Füßen zu eitern begonnen, und in
den eklig süßen Geruch verbrannter Haut mischte sich der Gestank der Fäulnis.
Brust, Arme, Hände, Schultern - die Flammen hatten alles erreicht. Sein
Gesicht war ein glatter, rosiger Klumpen, fast wie das Radiergummi an einem
Bleistift. Als sie alle Wunden versorgt hatte - eine furchtbare Qual -, brachte
er kaum noch einen Laut heraus. Er war in einen unruhigen Schlaf versunken, aus
dem er nur ab und zu aufwachte, um nach Wasser zu verlangen. Sie war
überrascht, als er am nächsten Morgen und am nächsten Tag immer noch lebte. In
der Nacht vor dem Abmarsch hatte Sara angeboten, mit Sancho im Lager zurückzubleiben.
Aber Greer wollte davon nichts wissen. Wir haben schon genug Männer in diesen
Wäldern zurückgelassen, hatte er gesagt. Pflegen Sie ihn, so gut es geht.
    Eine Zeitlang war der Konvoi nach Osten
gefahren, aber jetzt ging es wieder südwärts, und Sara vermutete, dass sie auf
einer Straße waren. Das schlimmste Geholper hatte aufgehört, der Wagen
schwankte

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