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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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Bogen und ging den Weg
zurück, den sie gekommen waren. Es fing an zu traben und verschwand zwischen
den Bäumen.
    Amy hob ihren Rucksack aus dem Schnee und setzte
ihn auf. »Jetzt können wir los.«
    Peter wusste nicht, was er sagen sollte, aber es
gab auch keinen Grund, etwas zu sagen.
    Sie kletterten die Böschung hinunter zum Rand
des Flusses. Die Sonnenreflexe, die auf dem Wasser tanzten, waren von
explosiver Helligkeit, als hätte sich seine Spiegelkraft kurz vor dem
Gefrieren noch einmal vervielfacht. Peter ließ Amy zuerst auf die Brücke
steigen; er schob sie mit dem Knie durch eine lukenartige Öffnung zwischen den
Planken hinauf. Als sie oben war, reichte er ihr die Rucksäcke und zog sich
dann selbst hoch.
    Am sichersten wäre es wahrscheinlich, am Rand
der Brücke zu bleiben. Dort könnten sie sich am Geländer festhalten, wenn sie
über dem tosenden Fluss von Planke zu Planke sprangen. Die Lücken waren ungefähr
meterbreit. Das kalte Metall brannte mit eisiger Schärfe an seinen
Handflächen. Sie mussten es möglichst schnell hinter sich bringen. Amy ging
voraus; anmutig und sicher sprang sie über die Bohlen. Als er ihr folgte,
merkte er sofort, dass nicht die Bohlen selbst das Problem waren. Sie waren
anscheinend noch ganz solide, doch unter dem Schnee lag eine verborgene
Eisschicht. Gleich zweimal verlor er den Halt. Die Füße glitten unter ihm weg,
und er bekam nur noch mit knapper Not das Geländer zu fassen. Aber in einem
eiskalten Fluss zu ertrinken, nachdem sie so weit gekommen waren, das konnte er
sich nicht vorstellen. Als sie die andere Seite erreicht hatten, waren seine
Finger völlig gefühllos, und er zitterte. Gern hätte er Rast gemacht und ein
Feuer angezündet, doch sie durften sich jetzt nicht aufhalten. Die Schatten
wurden schon länger. Der kurze Wintertag wäre bald zu Ende.
    Sie kletterten die Uferböschung hinauf, und
danach ging es weiter aufwärts. Wo immer sie ankommen mochten, hoffentlich
würden sie dort einen Unterschlupf finden, denn sonst würden sie die Nacht
vermutlich nicht überstehen. Zum Teufel mit den Virais - die Kälte war genauso
tödlich. Es kam darauf an, in Bewegung zu bleiben. Amy hatte jetzt die Führung
übernommen; mit großen Schritten stieg sie den Berg hinauf, und Peter konnte
ihr nur mit Mühe folgen. Die Luft war dünn in seiner Lunge, und die Bäume
ringsum stöhnten im Wind. Nach einiger Zeit drehte er sich um. Das Tal lag tief
unter ihnen, der Fluss schlängelte sich hindurch. Sie wanderten jetzt im
Schatten durch das Zwielicht. Die Bergflanken auf der anderen Seite des Tales
glitzerten in goldenem Glanz. Auf den Gipfel der Welt, dachte Peter. Dorthin
bringt Amy mich. Auf den höchsten Gipfel der Welt.
    Der Tag versickerte. In der herabsinkenden
Dunkelheit war die Landschaft ein verwirrendes Durcheinander. Was Peter für
den Scheitelpunkt ihres Aufstiegs gehalten hatte, erwies sich als Höhenkamm,
hinter dem stufenweise weitere folgten, und jede Flanke war weniger geschützt
und noch windiger als die vorige. Nach Westen hin ging es steil, beinahe
senkrecht bergab. Die Kälte schien noch tiefer in ihn eingedrungen zu sein, und
sie betäubte seine Sinne. Es war ein Fehler gewesen, begriff er jetzt, das
Pferd zu verjagen. Wenn es hart auf hart käme, hätten sie wenigstens zu ihm
umkehren und an seinem Körper Schutz und Wärme finden können.
    Er sah, dass Amy stehen geblieben war. Er
stolperte weiter und blieb nach Luft schnappend bei ihr stehen. Der Schnee war
hier nicht mehr so tief, weil der Wind ihn davonwehte. Amy spähte mit schmalen
Augen in den Himmel, als lausche sie einem fernen Geräusch. Eisperlen klebten
an ihrem Rucksack und in ihren Haaren.
    »Was ist?«
    Ihr Blick richtete sich auf die Baumreihe links
von ihnen. »Da«, sagte sie.
    Aber da war nichts, nur die Bäume. Die Bäume,
der Schnee, der gleichgültige Wind.
    Dann sah er es: eine Lücke im Unterholz. Amy
ging bereits auf die Stelle zu. Bald konnte er es besser erkennen: Es war ein
Tor in einem halb umgestürzten Zaun, der sich nach beiden Seiten am Waldrand
entlangzog, überwuchert von dichten Ranken, die jetzt blattlos und schneebedeckt
waren. Vielleicht wanderten sie schon eine ganze Weile an dem Zaun entlang,
ohne dass Peter ihn bemerkt hatte. Hinter dem Tor stand eine kleine Hütte. Ein
Teil des Fundaments war eingebrochen, und alles war schief. Die Tür hing halb
offen in den Angeln. Er spähte hinein. Nichts - nur Schnee und Laub.
Fäulnisspuren liefen wie Rinnsale

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