Cronin, Justin
aneinandergeschmiegt, um sich zu wärmen.
Als sie aufwachten, waren sie durchgefroren bis
auf die Knochen. Das Schneegestöber war vorbei, und der Himmel strahlte in
einem grellen, kalten Blau. Während Amy Feuer machte, ging Peter auf die Suche
nach dem Pferd, das sich in der Nacht losgerissen hatte und davonspaziert war.
Unter anderen Umständen wäre er sofort in Panik geraten, aber an diesem Morgen
war er nicht einmal beunruhigt. Er fand das Tier hundert Meter weiter
flussabwärts, wo es am Ufer an ein paar Grassprossen knabberte. An seinem
großen schwarzen Maul hing ein Bart aus Schnee. Peter hatte nicht den Eindruck,
dass er es dabei stören durfte; also blieb er eine Zeitlang stehen und sah dem
Pferd beim Frühstücken zu, bevor er es zu ihrem Schlaflager zurückführte. Amy
war dabei, mit Mühe ein kleines, qualmendes Feuer aus feuchten Kiefernnadeln
und knisternden Zweigen anzufachen. Sie aßen aus Konserven und tranken kaltes
Wasser aus dem Fluss, und dann blieben sie am Feuer sitzen und wärmten sich
auf. Sie ließen sich Zeit. Er wusste, dass es ihr letzter Morgen sein würde.
Die Garnison hinter ihnen im Westen würde jetzt leer und ausgestorben sein.
Die Soldaten waren auf dem Weg nach Süden.
»Ich glaube, das war's«, sagte er zu Amy, als er
das Gepäck auf das Pferd lud. »Ich glaube nicht, dass es noch mehr als zehn
Kilometer sind.«
Das Mädchen sagte nichts; es nickte nur. Peter
führte das Pferd zu einem umgestürzten Baumstamm, einem mächtigen,
durchnässten Klotz, mindestens einen Meter dick, und kletterte von dort auf das
Pferd. Er rückte sich zurecht, zog das Gepäck dicht an sich und streckte den
Arm hinunter, um Amy heraufzuziehen.
»Vermisst du sie?«, fragte Amy. »Deine Freunde?«
Er hob den Kopf und schaute zu den verschneiten
Bäumen hinauf. Es war ein schöner Morgen, still und sonnig.
»Ja. Aber das macht nichts.«
Einige Zeit später kamen sie zu einer
Weggabelung. Ein paar Stunden lang waren sie einer Straße gefolgt. Besser
gesagt, früher war es eine Straße gewesen. Der Boden unter dem Schnee war fest
und eben, und hier und da stand ein verrostetes Hinweisschild oder ein
verwitterter Zaun. Sie ritten in ein Tal hinein, das immer schmaler wurde.
Steile Felswände ragten zu beiden Seiten auf, und hier teilte sich die Straße.
Sie konnten weiter geradeaus am Fluss entlangreiten oder ihn auf einer Brücke
überqueren, einer geschwungenen Konstruktion aus nackten, schneebedeckten
Stahlträgern. Auf der anderen Seite führte die Straße wieder bergauf und
verschwand zwischen den Bäumen. »Welche Richtung?«, fragte er.
Sie war einen Moment lang still. Ȇber den
Fluss«, sagte sie dann.
Sie stiegen ab. Der Schnee war tief, ein
lockerer Pulverschnee, der fast bis an den oberen Rand von Peters Stiefel
reichte. Als sie zum Flussufer kamen, sah Peter, dass der Überweg nicht mehr da
war. Die Planken der Brücke, die vermutlich aus Holz bestanden hatten, waren an
vielen Stellen verrottet und zerfallen. Fünfzig Meter: Wahrscheinlich würden
sie es schaffen, auf den bloßliegenden Trägern hinüberzubalancieren, aber das
Pferd niemals.
»Bist du sicher?« Sie stand neben ihm und
blinzelte konzentriert im Licht. Genau wie er hatte sie die Ärmel ihrer Jacke
schützend über die Hände gezogen. Sie nickte.
Er ging zurück zum Pferd und schnallte das
Gepäck ab. Es kam nicht in Frage, Greers Pferd angebunden hier auf sie warten
zu lassen. Das Tier hatte sie so weit gebracht, und Peter konnte es jetzt nicht
wehrlos sich selbst überlassen. Als er alles abgeladen hatte, ging er zum
Hinterteil des Pferdes. »Ha!«, schrie er und gab ihm einen festen Klaps.
Nichts. Er versuchte es noch einmal, lauter jetzt. »Ha!« Das Tier rührte sich nicht. Er klatschte ihm auf das
Hinterteil, schrie und fuchtelte mit den Armen. »Na
los! Hau ab!« Aber das Pferd stand da und starrte sie
beide ungerührt mit seinen großen, glänzenden Augen an.
»Was für ein sturer Bock. Ich glaube, er will
einfach nicht weggehen.«
»Sag ihm einfach, was er tun soll.«
»Das ist ein Pferd, Amy.«
So seltsam es war, aber was als Nächstes
geschah, verwunderte Peter überhaupt nicht. Amy legte dem Pferd die
Handflächen ans Gesicht, und sofort beruhigte sich das Tier. Seine breiten Nüstern
weiteten sich in einem tiefen Seufzer. Einen langen, stillen Augenblick lang
standen Mädchen und Pferd einfach da, vereint in gegenseitiger, tiefer Betrachtung.
Dann wandte das Tier sich ab, machte einen weiten
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