Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
Vom Netzwerk:
hartes Trockenfutter mit den Reißzähnen krachend zerbiss, und am nächsten
Morgen stand der Napf dann leer an seinem Platz vor dem Herd. Brownbear war ein
guter Hund gewesen, der beste, den er je gehabt hatte. Aber das war Jahre her,
viele, viele Jahre; er hatte ihn weggeben müssen, und inzwischen war Brownbear
sicher längst tot.
    Alle zivilen Mitarbeiter, das Reinigungspersonal
und die Techniker, waren zusammen in den Baracken am Südrand des Geländes
untergebracht. Die Zimmer waren nicht schlecht. Sie hatten Dusche und Kabelanschluss,
und Rechnungen musste man auch nicht bezahlen. Keiner von ihnen durfte das
Gelände verlassen. Das war Teil der Vereinbarung, doch das machte Grey nichts
aus, denn alles, was er brauchte, hatte er hier, und die Bezahlung war gut,
genauso gut wie die auf der Ölplattform, und das ganze Geld sammelte sich auf
einem Auslandskonto, auf dem sein Name stand. Nicht mal Steuern wurden
abgezogen; es gab da irgendein spezielles Arrangement für zivile Angestellte
nach dem Bundesnotstandsgesetz zum Heimatschutz. In ein oder zwei Jahren, dachte
Grey, und solange er nicht allzu viel in der Kantine für Zigaretten und Snacks
verplemperte, würde er genug Geld auf der hohen Kante haben, um einen gehörigen
Abstand zwischen sich und Zero und die anderen zu bringen. Die übrigen
Reinigungskräfte waren ganz okay, aber er blieb lieber für sich. Er saß gern
abends in seinem Zimmer vor dem Fernseher, sah den Travel Channel oder National
Geographie und überlegte sich, wohin er gehen könnte, wenn das alles hier
vorbei wäre. Eine Zeitlang hatte er an Mexiko gedacht. Grey vermutete, dass
dort reichlich Platz sein würde, denn die Hälfte der Mexikaner stand hier vor
dem Home Depot oder einem anderen Baumarkt herum und suchte nach Arbeit. Aber
letzte Woche hatte er dann eine Sendung über Französisch-Polynesien gesehen -
das Wasser so blau, wie er noch kein Blau gesehen hatte, und kleine Häuser, die
auf Stelzen darin standen -, und jetzt zog er es ernsthaft in Betracht. Grey
war sechsundvierzig Jahre alt und rauchte wie ein Schlot, und deshalb schätzte
er, dass er noch zehn gute Jahre hatte, die er genießen könnte. Sein Alter, der
genauso viel geraucht hatte wie er, hatte die letzten fünf Jahre seines Lebens
auf einem kleinen Wägelchen verbracht und an einem Sauerstofftank genuckelt,
bevor er einen Monat vor seinem sechzigsten Geburtstag endgültig die Kurve
gekratzt hatte.
    Trotzdem wäre es nett gewesen, ab und zu hier
rauszukommen, und sei es nur, um sich mal umzusehen. Er wusste, dass sie
irgendwo in Colorado waren; das sah er an den Nummernschildern an einigen der
Autos hier, und hie und da ließ jemand - vermutlich einer der Offiziere oder
einer der Wissenschaftler, die nach Belieben kommen und gehen konnten - eine
Ausgabe der Denver Post herumliegen,
und deshalb war es eigentlich kein großes Geheimnis, wo sie waren, was immer
Richards erzählen mochte. Einmal, als es stark geschneit hatte, war Grey mit
ein paar anderen Reinigungsleuten auf das Dach der Baracke gestiegen, um den
Schnee hinunterzufegen, und da hatte er durch die dichten Reihen verschneiter
Bäume etwas gesehen, das aussah wie ein Wintersportort: Eine Seilbahn zog sich
an einem Berghang hinauf, und auf einer Piste sausten kleine Punkte bergab. Das
Ganze konnte nicht mehr als fünf Meilen weit entfernt sein. Komisch, so etwas
zu sehen - mitten im Krieg, und angesichts des katastrophalen Zustands der
Welt. Grey war in seinem ganzen Leben noch nie Ski gelaufen, aber er wusste,
dass es in Wintersportorten auch Bars und Restaurants geben musste und
Whirlpools und Saunen und solche Sachen - und Leute, die im Dampf herumsaßen
und plauderten und an Weingläsern nippten. Auch das hatte er auf dem Travel
Channel gesehen.
    Jetzt war März, immer noch Winter, und es lag
noch reichlich Schnee; wenn die Sonne unterging, ging die Temperatur in den
Keller. An diesem Abend wehte außerdem ein scheußlicher Wind, und als er zurück
zu den Baracken stapfte, die Hände tief in den Taschen und das Kinn in seinem
Parka vergraben, hatte Grey das Gefühl, als schlage ihm jemand immer wieder ins
Gesicht. Das alles ließ ihn wieder an Bora Bora denken, an die kleinen Häuser
auf Stelzen. Scheiß auf Zero, der anscheinend den Appetit auf frische
Osterhäschen verloren hatte; was Zero fraß und nicht fraß, ging Grey nichts an.
Wenn sie ihm sagten, er sollte ihm von jetzt an Eier Benedict oder Toastecken
servieren, würde er es mit einem Lächeln

Weitere Kostenlose Bücher