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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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Privatleben, lauter Sachen, die man
nur erfuhr, wenn man danach fragte. Hatte er Freunde? (Eigentlich nicht.) Lebte
er allein? (Ja, schon immer.) Hatte er lebende Verwandte? (Nur eine Tante in
Odessa, die er seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hatte, und zwei Cousins,
an deren Namen er sich nicht erinnern konnte.) Der Trailerpark, in dem er
wohnte, dort oben in Allen - wer waren da seine Nachbarn? (Was für Nachbarn?)
Und so weiter in der Art. Je mehr er ihnen erzählte, desto zufriedener sahen
sie aus. Sie bemühten sich, es zu verbergen, es stand ihnen jedoch ins Gesicht
geschrieben. Als er zu dem Schluss kam, dass sie nicht von der Polizei waren,
wurde ihm klar, dass er vermutet hatte, sie könnten es sein.
    Zwei Tage später - inzwischen war ihm
aufgefallen, dass er den Namen des Mannes und der Frau nie erfahren hatte und
dass er sie nicht mal hätte beschreiben können - saß er im Flugzeug nach
Cheyenne. Das mit dem Geld, und dass er ein Jahr nicht würde weggehen können,
hatten sie ihm erklärt. Ihm war es recht. Sie hatten außerdem unmissverständlich
klargemacht, dass er niemandem sagen dürfe, wohin er ging; aber das hätte er
auch gar nicht tun können, denn er kannte ja niemanden. Am Flughafen in
Cheyenne wurde er von einem Mann im schwarzen Trainingsanzug abgeholt, den er
später als Richards kennenlernte - ein drahtiger Typ, gerade mal eins
fünfundsechzig groß und mit einer ständig gerunzelten Stirn. Richards ging mit
ihm hinaus. Am Straßenrand vor dem Ausgang standen zwei andere Männer, die mit
anderen Flügen gekommen waren, neben einem Van. Richards öffnete die Fahrertür
und kam mit einem Stoffbeutel von der Größe eines Kissenbezugs zurück, den er
aufsperrte wie ein Maul.
    »Brieftaschen, Handys, persönliche Gegenstände,
Fotos, alles, was eine Schrift trägt, einschließlich des Kugelschreibers, den
ihr auf der Bank gekriegt habt«, befahl er. »Und wenn es ein verdammter Glückskeks
ist. Hier rein.«
    Sie leerten ihre Taschen aus, stemmten ihre
Reisetaschen auf die Gepäckablage und stiegen durch die Seitentür ein. Erst
als Richards die Tür geschlossen hatte, sah Grey, dass die Fenster geschwärzt
waren. Von außen sah der Wagen aus wie ein ganz gewöhnlicher Van, aber drinnen
war es anders: Die Fahrerkabine war abgetrennt, hinten war es nichts als ein
Blechkasten mit am Boden festgeschraubten Vinylsitzen. Richard hatte gesagt,
sie dürften einander ihre Vornamen nennen, aber weiter nichts. Die beiden
anderen hießen Jack und Sam. Sie hatten enorme Ähnlichkeit mit Grey. Er meinte
fast, sein Spiegelbild zu sehen: weiße Typen mittleren Alters mit Bürstenhaarschnitt,
aufgequollenen roten Händen und einer Arbeiter-Sonnenbräune, die an den
Handgelenken und am Kragen aufhörte. Greys Vorname war Lawrence, aber den
benutzte er kaum. Aus seinem eigenen Munde klang er sonderbar. Als er ihn
ausgesprochen und dem Mann namens Sam die Hand geschüttelt hatte, fühlte er
sich verändert, als sei er in Dallas ins Flugzeug gestiegen und als anderer
Mensch in Cheyenne gelandet.
    In dem verdunkelten Van war nicht zu erkennen,
wohin sie fuhren, und die Fahrt weckte leise Übelkeit. Nach allem, was Grey
mitbekam, umkreisten sie nur immer wieder den Flughafen. Weil es nichts zu tun
oder zu sehen gab, waren sie alle bald eingeschlafen. Als Grey aufwachte,
hatte er das Zeitgefühl verloren. Außerdem musste er pinkeln wie ein Stier. Das
war das Depo. Er stand auf und klopfte mit den Fingerknöcheln an die
Schiebeluke.
    »Hey, ich muss mal anhalten«, rief er.
    Richards schob die Luke auf und eröffnete Grey
einen Blick durch die Frontscheibe nach vorn. Die Sonne war untergangen; die
Straße vor ihnen, eine zweispurige Asphaltstraße, war dunkel und leer. In der
Ferne schimmerte ein violetter Lichtstreifen, wo der Himmel an eine Bergkette
stieß.
    »Ich muss pinkeln«, sagte Grey. »Sorry.«
    Hinter ihm im Abteil wachten die beiden anderen
Männer auf. Richards langte nach unten und reichte Grey eine durchsichtige
Plastikflasche mit breiter Öffnung nach hinten.
    »Da soll ich reinpissen?«
    »Genau.«
    Richards schloss das Fenster ohne ein weiteres
Wort. Grey setzte sich wieder auf seinen Platz und betrachtete die Flasche in
seiner Hand. Groß genug war sie vermutlich. Aber die Vorstellung, hier im Wagen
vor den Augen der anderen Männer sein Ding herauszuholen, als wäre da nichts
weiter dabei, bewirkte, dass die Muskeln rings um seine Blase sich zusammenzogen
wie eine Schlinge.
    »Mich bringt

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