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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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sein.«
    »Wem sagen Sie das? Aber ich tue, was man mir
sagt.«
    »Eben.«
    Sie kehrten zum Wagen zurück, und ein Posten
winkte sie zur Ausfahrt. Ein paar Augenblicke später waren sie wieder auf dem
Highway. »Nashville?«, fragte Doyle.
    Wolgast nickte, ohne den Blick von der Straße zu
wenden. Ȇberlegen Sie doch mal. Auf der 1-55 gibt es Checkpoints in Arkansas
und Illinois, einen gleich südlich von St. Louis und einen zwischen Normal und
Chicago. Aber wenn man die 40 ostwärts durch Tennessee nimmt, kommt der erste
Checkpoint, wenn man quer durch den Staat gefahren ist, an der Kreuzung 1-40
und 75. Ergo war dies der letzte Checkpoint zwischen hier und Nashville, und so
wird das System nicht erfahren, dass wir nie dort
waren. Wir können die Abholung in Memphis erledigen, nach Arkansas rüberfahren
und den Checkpoint in Oklahoma umgehen, indem wir den Umweg um Tulsa herum
machen. Nördlich von Wichita stoßen wir auf die 1-70 und treffen Richards an
der Grenze nach Colorado. Nur ein Checkpoint zwischen hier und Telluride, und
damit wird Sykes fertig. Nirgendwo steht, dass wir je in Memphis waren.«
    Doyle runzelte die Stirn. »Was ist mit der
Brücke an der 1-40?«
    »Die müssen wir umfahren, aber es gibt einen
ziemlich einfachen Umweg. Ungefähr fünfzig Meilen südlich von Memphis führt
eine alte Brücke über den Fluss zu einem State Highway auf der anderen Seite,
in Arkansas. Für die großen Tanklastzüge, die aus New Orleans heraufkommen,
ist sie nicht zugelassen; deshalb fahren da nur Personenwagen, und das läuft
großenteils automatisiert. Der Scanner wird uns registrieren, und die Kameras
auch. Aber darum können wir uns später kümmern, wenn es sein muss. Und dann
fahren wir einfach nach Norden und stoßen südlich von Little Rock auf die
1-40.«
    Sie fuhren weiter. Wolgast überlegte, ob er das
Radio einschalten und vielleicht den Wetterbericht hören sollte, aber dann ließ
er es bleiben. Er musste sich konzentrieren. Als der Himmel sich blassgrau
färbte, waren sie bereits nördlich von Jackson. Se kamen gut voran. Es hörte
auf zu regnen und fing kurze Zeit später wieder an. Rings um sie herum erstreckte
sich das Land wie eine sanfte Dünung weit draußen auf dem Meer. Wolgast dachte
immer noch an die Nachricht von Sykes.
    Weibliche Weiße. Amy - Nachname unbekannt. Keine
weiteren Daten im System. 20323 Poplar Avenue, Memphis, TN. Zugriff spätestens
Samstagnachmittag. Keine Kontaktaufnahme. TUR. Sykes.
    TUR: Travel Under Radar.
    Sie sollen nicht nur einen Geist fangen, Agent
Wolgast. Sie sollen ein Geist sein.
    »Soll ich weiterfahren?« Doyle brach das
Schweigen, und Wolgast hörte an seiner Stimme, dass er an das Gleiche gedacht
hatte. Amy - Nachname unbekannt. Wer war Amy - Nachname unbekannt?
    Er schüttelte den Kopf. Das erste Tageslicht
legte sich über das Mississippi-Delta wie eine nasse Wolldecke. Er drückte
kurz auf den Wischerhebel, um die beschlagene Scheibe zu klären.
    »Nein«, sagte er. »Es geht noch.«
     
    5
     
    Etwas stimmte nicht mit Proband Zero.
    Seit vollen sechs Tagen war er nicht mehr aus
der Ecke gekommen, nicht einmal zum Fressen. Er hing einfach nur da wie eine
Art Rieseninsekt. Grey sah ihn auf dem Infrarotschirm, ein leuchtender Klecks
im Schatten. Von Zeit zu Zeit verlagerte er seine Position ein kleines Stück
weit nach rechts oder links, aber das war auch schon alles. Grey hatte nie
gesehen, wie er es tat. Er wandte den Blick kurz vom Monitor oder verließ den
Sicherheitsraum, um sich eine Tasse Kaffee zu holen oder im Pausenzimmer rasch
eine Zigarette zu rauchen, und wenn er dann wieder hinschaute, hing Zero
woanders.
    Hing? Klebte? Verdammt - schwebte?
    Niemand hatte Grey irgendetwas erklärt. Mit
keinem einzigen verdammten Wort. Zum Beispiel, was Zero eigentlich war. Er besaß Merkmale, von denen Grey sagen würde, dass sie
irgendwie menschlich waren. Zwei Arme und zwei Beine beispielsweise. Er hatte
einen Kopf da, wo ein Kopf sitzen sollte, mit Ohren und Augen und einem Mund.
Unten baumelte sogar so etwas wie ein Pimmel, ein zusammengerolltes Ding wie
ein Seepferdchen. Aber das war's praktisch auch schon mit den Ähnlichkeiten.
    Zum Beispiel: Proband Zero leuchtete. Auf dem
Infrarotschirm tat das jede Wärmequelle. Proband Zeros Gestalt hingegen
strahlte auf dem Monitor wie ein brennendes Streichholz, fast so grell, dass
man nicht hinschauen konnte. Sogar seine Scheiße leuchtete.
Sein unbehaarter Körper, glatt und glänzend wie Glas, war wulstig,

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