Cronin, Justin
bewacht. Rings um diesen abgesperrten Bereich, ungefähr
zehn Meilen weit in alle Richtungen, erstreckte sich der New Orleans Housing
District, ein Meer von Trailern, das ursprünglich zur Unterbringung von
evakuierten Einwohnern gedacht gewesen war, jetzt aber als Schlafstätte für
die Tausenden von Arbeitern diente, die den städtischen Industriekomplex bei
Tag und Nacht in Gang hielten. Es war kaum mehr als ein riesenhafter Slum,
eine Mischung aus Flüchtlingslager und einer Wildweststadt; in Polizeikreisen
war allgemein bekannt, dass die Mordrate im NOHD sämtliche Grenzen sprengte,
aber weil es offiziell keine Stadt, ja, nicht einmal Teil eines Staates war,
blieb diese Tatsache weitgehend unbeachtet.
Jetzt, kurz vor Sonnenaufgang, tauchte der
Checkpoint an der Grenze nach Mississippi vor ihnen auf, ein Dorf mit
funkelnden Lichtern in der frühmorgendlichen Dunkelheit. Selbst um diese Zeit
gab es hier lange Warteschlangen - hauptsächlich Tanklaster auf dem Weg nach
Norden, nach St. Louis oder nach Chicago. Grenzposten mit Hunden, Geigerzählern
und Spiegeln an langen Stangen bewegten sich an den Fahrzeugkolonnen entlang.
Wolgast hielt hinter einem Sattelschlepper an. Yosemite Sam aus den
Bugs-Bunny-Cartoons schmückte die Schmutzfänger, und auf einem Autoaufkleber
stand: HEUTE TREFFE ICH MEINE EXFRAU - ZWISCHEN DIE AUGEN.
Doyle regte sich und rieb sich die Augen. Er
richtete sich auf und sah sich um. »Sind wir schon da, Dad?«
»Nur eine Grenzkontrolle. Schlafen Sie weiter.«
Wolgast lenkte den Wagen aus der Schlange und hielt
bei dem nächstbesten Uniformierten an. Er drehte das Fenster herunter und
hielt seinen Ausweis hoch.
»FBI. Können Sie uns irgendwie durchwinken?«
Der Grenzer war ein junger Kerl. Er hatte noch
ein Pickelgesicht. Die gepanzerte Kleidung ließ ihn klobig erscheinen, aber
Wolgast sah, dass er wahrscheinlich ein Fliegengewicht war. Er gehörte nach
Hause, dachte Wolgast, wo immer das sein mochte; er sollte gemütlich im Bett
liegen und von einem Mädchen aus seiner Matheklasse träumen, statt mit dreißig
Pfund Kevlar am Leib an einem Highway in Mississippi zu stehen und ein
Sturmgewehr vor der Brust zu halten.
Er betrachtete Wolgasts Ausweis nur flüchtig
interessiert und deutete dann mit dem Kopf zu einem Betongebäude am Rande des
Highways.
»Sie müssen drüben an der Station halten, Sir.«
Wolgast seufzte genervt. »Söhnchen, ich hab
keine Zeit für so was.«
»Wenn Sie vorgelassen werden wollen, doch.«
In diesem Augenblick trat ein zweiter Posten in
das Licht ihrer Scheinwerfer. Er drehte die Hüften seitwärts zum Wagen und
nahm die Waffe von der Schulter. Was zum -, dachte
Wolgast.
»Himmel noch mal, ist das wirklich notwendig?«
»Hände dahin, wo wir sie sehen können, Sir!«,
bellte der zweite Mann.
»Du meine Güte«, sagte Doyle.
Der erste Soldat wandte sich dem Mann im
Scheinwerferlicht zu und winkte ihm, die Waffe zu senken. »Alles okay, Duane.
Die sind vom FBI.« Der zweite Mann zögerte, doch dann zuckte er die Achseln und
ging weg.
»Entschuldigen Sie. Fahren Sie einfach da rum.
Die lassen Sie schnell durch.«
»Das will ich ihnen auch raten«, knurrte
Wolgast.
Der Wachhabende in der Station nahm ihre
Ausweise und forderte sie auf, zu warten, während er telefonisch ihre Nummern
durchgab. FBI, Heimatschutzministerium, Staats- und sogar Ortspolizisten - alle
waren jetzt in einem zentralen System gespeichert, und jede ihrer Bewegungen
konnte verfolgt werden. Wolgast nahm sich einen Becher Kaffee aus der Maschine,
trank ein paarmal lustlos von der dicken Brühe und warf den Becher in den Müll.
An der Wand hing ein Rauchverbotsschild, doch der Raum stank wie ein alter
Aschenbecher. Die Wanduhr zeigte kurz nach sechs. In einer Stunde würde die
Sonne aufgehen.
Der Wachhabende kam mit ihren Ausweisen nach
vorn an die Theke. Er war schlank und unauffällig und trug die aschgraue Uniform
der Heimatschutzbehörde. »Okay, Gentlemen. Fahren Sie mal fröhlich weiter. Nur
eins noch: Das System sagt, Sie waren heute Abend auf einen Flug nach Denver
gebucht. Wahrscheinlich ein Irrtum, aber ich muss das vermerken.«
Wolgast hatte darauf eine Antwort parat. »Das
stimmt. Wir wurden nach Nashville umdirigiert, um einen FBI-Zeugen abzuholen.«
Der diensthabende Officer dachte kurz darüber
nach. Dann nickte er und tippte diese Angaben in seinen Computer. »In Ordnung.
Schon übel, dass die Sie nicht rübergeflogen haben. Müssen ja mehr als tausend
Meilen
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