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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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doch
nicht ganz so. Er hätte nicht genau sagen können, was der Unterschied war.
    »Was ist in Colorado? Da fahren wir hin, das hab
ich gehört.«
    Wolgast wusste nicht, wie viel er ihr sagen
sollte. »Na ja, da gibt's einen Doktor. Der wird dich ansehen. Wie bei einer
Untersuchung.«
    »Ich bin nicht krank.«
    »Gerade deshalb, glaube ich. Ich habe keine ...
na ja, eigentlich weiß ich es nicht.« Er wand sich innerlich bei dieser
Lügerei. »Du brauchst keine Angst zu haben.«
    »Sag das nicht dauernd.«
    Er war so verblüfft über ihre Unverblümtheit,
dass er einen Moment lang sprachlos war. »Okay«, sagte er dann. »Das ist gut.
Das freut mich.«
    »Ich hab nämlich keine Angst«, erklärte Amy und
ging auf die Lichter des Tahoe zu. »Du hast welche.«
    Nach ein paar Meilen sahen sie es vor sich: eine
kuppelartige Zone aus pulsierendem Licht, das sich, als sie näher kamen, in
einzelne, in Kreisen angeordnete Punkte auflöste. Es sah aus wie eine Gruppe
von Sternbildern am Horizont. Wolgast hatte gerade begriffen, was er da sah,
als die Straße an einem Highway endete. Er hielt an, schaltete die Innenraumbeleuchtung
ein und schaute auf das Navigationssystem. Eine Kolonne von Personenwagen und
Pick-ups - mehr, als sie seit Stunden gesehen hatten - zog auf dem Highway
vorbei. Alle fuhren in dieselbe Richtung. Er öffnete sein Fenster, und der
Klang von Musik in der Nachtluft war jetzt unüberhörbar.
    »Was ist das?«,
fragte Doyle.
    Wolgast antwortete nicht. Er bog nach Westen und
fädelte sich in die Reihe der Wagen ein. Auf der Ladefläche des Pick-ups vor
ihnen saßen ein paar Teenager, ein halbes Dutzend vielleicht, auf Heuballen.
Sie fuhren an einem Ortsschild vorbei: »Homer, Oklahoma, 1232 Einw.«
    »Nicht so dicht«, sagte Doyle. Er meinte den
Pick-up. »Die Typen gefallen mir nicht.«
    Wolgast ignorierte ihn. Ein Mädchen entdeckte
sein Gesicht hinter der Scheibe und winkte ihm zu. Ihr Haar flatterte im
Fahrtwind um ihr Gesicht. Die Lichter des Jahrmarkts wurden immer heller, und
die Anzeichen der Zivilisation mehrten sich: ein Wassertank auf Stelzen, ein
dunkles Geschäft für landwirtschaftliche Geräte, ein flaches, modernes
Gebäude, vermutlich ein Altenheim oder eine Klinik, ein Stück weit abseits des
Highways. Der Pick-up vor ihnen bog an einem Casey's General Store von der
Straße auf den Parkplatz, wo es von Autos und Menschen wimmelte; die Kids waren
heruntergesprungen, bevor der Wagen anhielt, und rannten ihren Freunden
entgegen. Der Verkehr auf der Straße floss langsamer, als er die kleine Stadt
erreichte. Amy saß aufrecht auf dem Rücksitz und beobachtete das rege Treiben
durch das Fenster.
    Doyle drehte sich um. »Leg dich hin, Amy.«
    »Ist schon gut«, sagte Wolgast. »Lassen Sie sie
ruhig gucken.« Er sprach lauter, damit Amy ihn hören konnte. »Hör nicht auf
Phil. Guck so viel du willst, Süße.«
    Doyle lehnte sich zu ihm herüber. »Was ... soll
das?«
    Wolgast schaute weiter geradeaus. »Entspannen
Sie sich.«
    Süße. Woher war das gekommen?
Die Straße wimmelte von Menschen; alle gingen in dieselbe Richtung, und manche
trugen Wolldecken und Kühlboxen und Plastikstühle. Viele hatten kleine Kinder
an der Hand oder schoben Kinderwagen: Farmer- und Rancherfamilien in Jeans und
Overalls, alle in Stiefeln, viele Männer trugen Stetsons. Hier und da sah
Wolgast große Wasserpfützen, aber der Abendhimmel war frisch und trocken. Der
Regen war durchgezogen, der Jahrmarkt hatte begonnen.
    Wolgast fuhr mit dem Verkehrsstrom zur
Highschool, an der ein großes Transparent hing: »Branch County Consolidated
High: Go Wildcats! Frühjahrsfest 20.-22. März.« Ein Mann in einer
reflektierenden orangegelben Weste winkte sie auf den Parkplatz, und ein
zweiter Mann wies ihnen einen Platz auf dem schlammigen Feld zu. Wolgast
stellte den Motor ab und sah Amy im Rückspiegel an. Sie spähte aufmerksam zum
Fenster hinaus in das Licht und den Lärm des Volksfestes.
    Doyle räusperte sich. »Das ist ein Witz, ja?«
    Wolgast drehte sich auf dem Sitz herum. »Amy,
Phil und ich steigen kurz aus, um miteinander zu reden. Okay?«
    Das kleine Mädchen nickte; zwischen ihnen beiden
herrschte plötzlich ein Einverständnis, an dem Doyle nicht beteiligt war.
    »Wir sind gleich wieder da«, meinte Wolgast zu
ihr.
    Doyle erwartete ihn hinter dem Tahoe. »Das
machen wir nicht«, sagte er.
    »Was kann es denn schaden?«
    Doyle senkte die Stimme. »Wir können von Glück
sagen, dass wir noch keinen Polizisten

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