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Cronin, Justin

Cronin, Justin

Titel: Cronin, Justin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Der Uebergang
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er
lächelte. »Wir machen, was du möchtest.«
    Am Eingang zahlte er das Eintrittsgeld und
wanderte dann eine Reihe weiter zu einer zweiten Kabine, um die Tickets für den
Octopus zu kaufen. Vielleicht wollte sie etwas essen, dachte er, aber er
beschloss, noch zu warten: Womöglich würde ihr auf dem Ding sonst schlecht
werden. Er merkte, dass es ihm gefiel, sich in die Kleine hineinzuversetzen,
sich vorzustellen, wie sie das Ganze erlebte und was ihr Freude machen würde.
Selbst er konnte das aufregende Kribbeln spüren, das diese Kirmes weckte. Eine
Handvoll heruntergekommene Fahrgeschäfte, die meisten wahrscheinlich
lebensgefährlich - aber war nicht gerade das der Sinn der Sache? Warum hatte er
gesagt, nur eine Stunde?
    »Fertig?«
    Die Schlange vor dem Octopus war lang, doch es
ging schnell voran. Als sie an der Reihe waren, hielt der Karussellführer sie
mit erhobener Hand auf.
    »Wie alt ist sie?«
    Er blinzelte sie skeptisch über seine Zigarette
hinweg an. Violette Tattoos schlängelten sich über seine nackten Unterarme.
Bevor Wolgast den Mund öffnen konnte, um zu antworten, trat Amy einen Schritt
vor. »Ich bin acht.«
    Erst jetzt sah Wolgast die Tafel, die auf einem
Klappstuhl lehnte: Keine Kinder unter sieben
Jahren.
    »Sie sieht aber nicht aus wie acht«, sagte der
Mann misstrauisch.
    »Lassen Sie sie«, sagte Wolgast. »Sie fährt mit
mir.«
    Der Mann musterte Amy von oben bis unten und
zuckte die Achseln. »Ist Ihr Bier«, sagte er.
    Sie kletterten in die wacklige Gondel, und der
Tätowierte ließ die Sicherheitsbügel vor ihren Hüften einrasten. Mit einem
Ruck bewegte sich die Gondel ein kleines Stück voran und blieb jäh wieder
stehen, damit hinter ihnen die Nächsten einsteigen konnten.
    »Angst?«
    Amy hatte sich in der Kälte die Kapuze ins
Gesicht gezogen und schmiegte sich fest an ihn. Sie machte große Augen.
Energisch schüttelte sie den Kopf. »Nein!«
    Noch viermal ruckte der Wagen voran und blieb
wieder stehen. Auf dem Scheitelpunkt konnte man den ganzen Jahrmarkt übersehen,
die Highschool und die Parkplätze und dahinter die kleine Stadt Homer mit ihren
beleuchteten, gitterförmigen Straßen. Noch immer strömte der Verkehr auf der
Landstraße heran. Aus dieser Höhe sah es aus, als bewegten die Autos sich mit
der Trägheit von Zielscheiben in einer Schießbude. Wolgast hielt Ausschau nach
Doyle, als wieder ein Ruck durch die Gondel ging.
    »Festhalten!«
    In einem kreiselnden Absturz ging es jäh nach
unten, und sie wurden aufwärts gegen den Sicherheitsbügel gepresst. Freudenschreie
gellten durch die Luft, und Wolgast schloss die Augen vor der Wucht des
Abstiegs. Er war seit unzähligen Jahren nicht mehr mit so einem Kreiselding
gefahren, und die wilde Fliehkraft war erstaunlich. Er spürte Amys Gewicht an
seinem Körper; der Schwung der Gondel drückte sie an ihn, als es wirbelnd
abwärtsging. Er öffnete die Augen wieder, und sie waren dicht über dem Boden,
nur wenige Handbreit über dem harten Lehm, und die Lichter der Kirmes
schwirrten um sie herum wie ein Sternschnuppenregen. Gleich wurden sie wieder
himmelwärts geschleudert. Sechs-, sieben-, achtmal ging es im Kreis herum, und
bei jeder Runde hob und senkte die Gondel sich wellenförmig. Es dauerte eine
Ewigkeit und war nach wenigen Augenblicken zu Ende.
    Als die ruckelnde Fahrt nach unten begann, wo
sie aussteigen konnten, schaute er auf Amy hinunter. Noch immer dieser
neutrale, abschätzende Blick - aber tief im Dunkel ihrer Augen sah er das
warme Licht des Glücks. Ein neues Gefühl keimte in ihm auf: Noch niemand hatte
ihr je ein solches Geschenk gemacht.
    »Und - wie war's?« Er lächelte sie an.
    »Das war cool.« Amy
hob den Kopf. »Ich möchte noch mal fahren.«
    Der Karussellführer befreite sie von dem
Sicherheitsbügel, und sie kehrten ans Ende der Warteschlange zurück. Vor ihnen
stand eine stattliche Frau in einem geblümten Hauskleid mit ihrem
wettergegerbten Ehemann; er trug Jeans und ein enges Westernhemd, und ein
dicker Priem Kautabak klemmte unter seiner Lippe.
    »Du bist aber ein ganz entzückendes Mädchen«,
meinte sie zu Amy und warf Wolgast einen warmherzigen Blick zu. »Wie alt ist
sie?«
    »Ich bin acht«, sagte Amy und schob ihre Hand in
Wolgasts. »Das ist mein Daddy.«
    Die Frau lachte, und ihre Brauen hoben sich rund
wie zwei Fallschirme, die sich mit Luft füllten. Ihre Wangen waren ungeschickt
mit Rouge geschminkt.
    »Natürlich ist das dein Daddy, Herzchen. Das
sieht doch jeder. So

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