Crush Gier
Jedenfalls wollte ich Ihnen dafür danken, dass Sie ihn heute Morgen wieder hingekriegt haben.«
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Rennie schob die Träne auf ihre Erschöpfung. Erst als der Lift abwärts zu fahren begann, hatte sie gemerkt, wie müde sie wirklich war. Sie lehnte sich an die Rückwand der Kabine und schloss die Augen. Und da spürte sie die Träne über ihre Wange laufen. Sie wischte sie weg, ehe sie im Erdgeschoss ankam.
Als sie aus dem Krankenhaus trat, folgte ihr zu ihrer Verblüffung ein Polizist. »Ist irgendwas?«
»Befehl von Detective Wesley, Madam. Frau Doktor«, verbesserte er sich.
»Warum?«
»Ich hab ihn nicht gefragt, und er hat nichts gesagt. Ich schätze, es hat was mit Threadgill zu tun.«
Der Polizist begleitete sie zu ihrem Auto, kontrollierte den Rücksitz und schaute kurz unter den Wagen. »Gute Fahrt, Dr. Newton.«
»Danke.« Er sah ihr nach, bis sie durch das Tor gefahren war.
Die Kassette fiel ihr erst auf, nachdem sie mehrere Blocks weit gefahren war. Sie ragte aus dem Autoradio. Verblüfft blieb Rennies Blick darauf liegen. Sie hörte nie Kassetten, immer nur CDs.
An der nächsten Ampel zog sie das Ding heraus, um die Aufschrift zu lesen. Es gab keine. Sie ignorierte ihre düstere Vorahnung, schob die Kassette in den Schlitz zurück und drückte auf PLAY.
Ein paar Klavierakkorde erfüllten das Wageninnere, dann sang eine rauchige Frauenstimme: »Iâve got a crush on you, sweetie pie.«
Rennie hieb mit der Faust auf das Kassettendeck, wieder und wieder, bis die Musik endlich abbrach. Sie zitterte am ganzen Leib, hauptsächlich vor Zorn, aber auch aus Angst. Die Polizeiposten rund um das Krankenhaus hatten Lozada nicht davon abgehalten, die Kassette in ihrem Auto zu deponieren. Wie zum Teufel hatte er das geschafft? Ihr Wagen war abgeschlossen gewesen.
Sie kramte in ihrer Ledertasche nach dem Handy, schaffte es aber nur, den Tascheninhalt über den Boden zu verstreuen. Nach kurzem Abwägen kam sie zu dem Schluss, dass sie, ehe sie irgendwo angehalten und das Handy hervorgesucht hätte, schon zu Hause sein könnte. Sie würde Wesley von dort aus anrufen.
Sie überfuhr zwei rote Ampeln, nachdem sie kurz nach rechts und links geschaut hatte, ob irgendwo ein anderes Auto kam.
Viel zu schnell jagte sie ihre Einfahrt hoch. Das Garagentor schien eine Ewigkeit zu brauchen, bis es aufgeschwungen war. Sobald es auf Höhe des Autodachs war, fuhr sie darunter hindurch. Mit Hilfe der Fernsteuerung lieà sie es augenblicklich wieder herunter, und es schob sich schon wieder nach unten, ehe sie auch nur den Motor abgestellt hatte.
Ohne ihre verstreuten Habseligkeiten aufzulesen, kletterte sie aus dem Auto und rannte zur Durchgangstür zum Haus. Sie platzte in die Küche und blieb wie angewurzelt stehen.
Durch die Verbindungstür zum Wohnzimmer fiel ein flackernder Schein. Keine Lichtquelle in ihrem Wohnzimmer warf ein derartiges Licht. Was war los? Am vernünftigsten wäre es gewesen, rückwärts aus der Tür zu schleichen, durch die Garage zu fliehen und auf die StraÃe zu rennen, wo sie um Hilfe rufen konnte.
O nein, sie würde auf gar keinen Fall schreiend aus ihrem Haus laufen. Das kam gar nicht in Frage!
Sie lieà die Tür zur Garage offen. Und zog ein Fleischermesser aus der Besteckschublade. Dann wagte sie sich leise durch die Küche ins Wohnzimmer. In zahllosen Glasbehältern jeder erdenklichen Form und GröÃe flackerten Kerzen â Hunderte von Kerzen, so sah es aus â aber höchstwahrscheinlich Dutzende. Die Kerzen standen auf allen verfügbaren Abstellflächen, erfüllten die Luft mit schwerem Blütenduft und lieÃen den Raum wie eine Feuerhöhle erscheinen.
Auf dem Couchtisch stand schon wieder ein Strauà roter Rosen. Und aus dem CD-Player kam Musik. Eine andere Version. Ein anderer Sänger. Aber dasselbe Stück. Lozadas Erkennungsmelodie.
Sie atmete schwer durch den Mund, und sie konnte trotz der Musik ihr Herz klopfen hören. Vorsichtig machte sie einen Schritt zurück und überlegte noch einmal, ob es wirklich ratsam war, das hier allein durchstehen zu wollen. Vielleicht sollte sie doch noch den Fluchtweg durch die Küche antreten.
Sie überschlug, wie lange es dauern würde, Hilfe zu holen. Erst durch die Küche. Dann durch die Tür. Das Garagentor hochfahren lassen. Sich darunter durchducken. Die Einfahrt entlang
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