Crush Gier
auf die StraÃe. Oder direkt über die Hecke zu Mr. Williams Haus. Um Hilfe rufen. Andere Menschen einbeziehen. Die Polizei alarmieren.
Nein.
Sie trat an die Stereoanlage und schaltete die Musik ab. »Komm raus und zeig dich, du Feigling.«
Die energisch gerufenen Worte hallten leer in der Wohnung nach. Sie lauschte angestrengt, doch es war schwer, über ihrem Keuchen und dem Hämmern ihres Herzens irgendein anderes Geräusch auszumachen.
Sie ging zum Flur, blieb aber noch in der Wohnzimmertür stehen. Dunkel und Unheil verheiÃend zog er sich in die Tiefe, wirkte viel länger, als er wirklich war. Dass Lozada ihr in ihrem eigenen, bis dahin sicheren Heim Angst eingejagt hatte, machte sie nur noch wütender. Und diese Wut trieb sie voran.
Schnell huschte sie durch den Flur und tastete nach dem Lichtschalter in ihrem Arbeitszimmer. Das Zimmer war leer, hier konnte sich niemand verstecken. Als Nächstes drückte sie die Tür zur Abstellkammer auf. Dort waren nur ihre Koffer und Reisesachen verstaut. Auch hier konnte sich unmöglich ein erwachsener Mann verbergen.
Von dort aus ging sie weiter ins Schlafzimmer, wo noch mehr Kerzen flackerten. Sie warfen schwankende Schatten auf Wände und Decken und an die Jalousien, die sie, nur seinetwegen, inzwischen Tag und Nacht zugezogen hatte. Sie schaute unter dem Bett nach. Sie trat an ihren Kleiderschrank und riss energisch die Tür auf. Sie schlug mit der Hand durch die aufgehängten Kleider.
Auch das Bad war leer, aber der Duschvorhang, den sie immer offen lieÃ, war vorgezogen. Zu wütend, um noch Angst zu empfinden, zerrte sie ihn zur Seite. Dahinter lag, auf der Drahtablage über ihrer Wanne, ein weiteres Rosenarrangement.
Sie holte aus und fegte die Porzellanvase mit einem lauten Klirren in die Wanne. Das Splittern klang wie eine Explosion.
»Du Arschloch! Warum lässt du mich nicht in Ruhe?«
Sie marschierte zurück ins Schlafzimmer und pustete überall die Kerzen aus, bis sie beinahe befürchtete, dass der entstehende Qualm den Feuermelder auslösen könnte. Energisch ging sie zurück durchs Wohnzimmer, doch hier lieà sie die Kerzen brennen. In der Küche machte sie die Tür zur Garage zu, schloss ab und legte das Messer in die Schublade zurück.
Im Kühlschrank fand sie eine Flasche Chardonnay, schenkte sich ein Glas voll und trank es auf einen Satz halb leer. Dann schloss sie die Augen und presste das kühle Glas gegen ihre Stirn.
Sie war unschlüssig, ob sie Wesley anrufen sollte. Wozu? Sie konnte genauso wenig beweisen, dass Lozada bei ihr eingebrochen war, wie er beweisen konnte, dass Lozada Sally Horton umgebracht und Wick niedergestochen hatte.
Wenn sie sich allerdings nicht meldete und Wesley auf anderem Weg von Lozadas Einbruch erfuhr⦠Also gut. Sosehr ihr auch davor graute, sie musste ihn anrufen.
Sie hob den Kopf, schlug die Augen auf und erblickte ihr Spiegelbild im Fenster. Hinter ihr stand Lozada.
Sie hatte sich getäuscht, als sie glaubte, sie sei zu wütend, um Angst zu haben.
19
Er packte sie an beiden Schultern und drehte sie zu sich herum. Seine Augen waren so dunkel, dass Rennie die Pupillen nicht von der Iris unterscheiden konnte.
»Du wirkst verärgert. Ich wollte dir etwas Gutes tun, Rennie, nicht dich ärgern.« Seine Stimme war sanft. Wie die eines Liebhabers.
Ihre Gedanken rasten auf den Zwillingsgleisen von nackter Angst und blankem Zorn dahin. Sie wollte ihn ohrfeigen, weil er ihr geordnetes Leben ins Chaos gestürzt hatte. Und gleichzeitig wollte sie sich ängstlich zusammenkauern. Doch durch beide Reaktionen hätte sie Schwäche gezeigt, und die wollte sie keinesfalls erkennen lassen. Er war ein Jäger, der jedes Anzeichen von Wehrlosigkeit bei seiner Beute registrierte und gnadenlos ausnutzte.
Er nahm ihr das Weinglas aus der Hand und drückte den Kelch gegen ihre Lippen. »Trink.«
Sie versuchte den Kopf abzuwenden, doch er ergriff mit der anderen Hand ihr Kinn und kippte gleichzeitig das Glas höher. Sie spürte die kalte Flüssigkeit an ihren Lippen. Das Glas klickte gegen ihre Zähne. Weingeschmack erfüllte ihren Mund. Sie schluckte, aber nicht alles. Der Rest rann über ihr Kinn. Er lächelte leise, während er die Tropfen mit dem Daumen wegwischte.
Rennie hatte dieses Lächeln schon überall auf der Welt gesehen. Es war das typische Lächeln, das der Täter dem Opfer schenkte. Es
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