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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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dem Präsentierteller. Falls über ihnen ein Pulk feindlicher Jagdflugzeuge auftauchte, hatten Sie nicht den Hauch einer Chance. Sie würden keine Zeit haben, um sich einzugraben und die felsige, von Latschen und Krüppelkiefern spärlich bewachsene Gegend bot nur unzureichend Deckung. Einige Feuergarben aus den Bordkanonen würden genügen, um ihn, die Männer und die Mulis umzumähen. Tiefe Sorgenfalten kerbten seine Stirn. Sie mussten schleunigst weg von hier.
     
                Altenbrunner suchte in der starren, ausdruckslosen Miene seines Hauptscharführers zu lesen. Rottenbuchers verwitterte Gesichtszüge waren wie aus Granit gehauen:
    „Na, Dietrich was denkst du, wie ist unsere Lage?“
                Er vertraute Rottenbucher blind. Sein „Hauptschar“ war umsichtig, besonnen und verlor nie seinen kühlen Kopf. Wie immer wenn es um die Beurteilung der Lage ging, ließ er sich mit der Antwort Zeit:
                „Schwierig zu sagen, Herr Standartenführer. Wenn Sie mich aber so direkt fragen, stecken wir ganz schön in der Scheiße!“
                Altenbrunner platzte der Spiegelkragen:
                „In der Scheiße sagst du? Wenn du mich fragst, haben die uns schon längst am Arsch! Und wer hat uns die Krautsuppe eingebrockt? Die Herren vom OKW und OKH, die auf ihren Gelagen große Töne spucken, von wegen Alpenfeste! Derweil ziehen uns die Judenbuben den Hosenboden stramm! Wenn sich unser allseits verehrter Reichsführer hierher bequemen würde, könnte er am eigenen Leib spüren, wer hier die Wunderwaffen hat.“
                Rottenbucher schob die Unterlippe vor, zog es aber vor zu schweigen. Altenbrunner kratzte sich nervös den Handrücken. Er hatte Mühe sich vor seinem Untergebenen zu beherrschen. Er verspürte den unbändigen Drang sich in eine Schimpftirade gegen die Berghof-Clique von Schmarotzern, Schaumschlägern und Schwadroneuren hineinzusteigern. Und nun war auch noch dieser Fettwanst von einem Feldmarschall, dieser aufgeplusterte, mit Orden behängte Pfau am Obersalzberg aufgetaucht – angeblich in streng geheimer Mission. Von wegen! Der fette Hermann wollte sich vorm Iwan verdrücken - und sonst nichts! Wider Willen musste Altenbrunner beim Gedanken an seinen  Namensvetter grinsen. Von wegen Führerprinzip, von wegen „Auslese der Besten“! In den oberen Etagen der NS-Bonzokratie herrschte die geballte Inkompetenz, Indolenz und Ignoranz! Wie oft war er beim Standortkommandanten Obersturmbannführer Bernhard Frank vorstellig geworden, um den stupiden Kommisskopf auf die neuralgischen Punkte in den Verteidigungsstellungen des Obersalzbergs aufmerksam zu machen. Der militärstrategische Nutzwert der bestehenden Befestigungen war gleich Null, eine Flugabwehr, die diesen Namen verdiente, existierte nur auf dem Papier. Das von Bergen umgebene Plateau war selbst für einen mit Blindheit geschlagenen Bomberpiloten ein leichtes, nicht zu verfehlendes Ziel. Frank hatte sein minutiös ausgearbeitetes Memorandum mit dem anmaßenden Lächeln des selbstherrlichen Herrenmenschen vom Tisch gewischt, sich in Siegerpose geschmissen und über die unbezwingbare Felsenfeste unseres geliebten Führers monologisiert. Dabei war die Alpenfestung nichts als eine Fata Morgana, die lediglich in den Wunschträumen der Endsieggläubigen Gestalt annahm. Der totale Krieg war in Wahrheit eine totale Katastrophe, in dessen Strudel Deutschland unterzugehen drohte! Die Bataillone der Bolschewisten, die Armeen der Amerikaner trieb die nordische Herrenrasse wie eine Horde Hasen vor sich her. Die Mär von der arischen Überlegenheit entpuppte sich als Ausgeburt kranker Psychopathenhirne. Hitlers Ideologie hatte sich ad absurdum geführt! Der Führer hockte in seinem Berliner Bunker und hatte die Kontrolle über seine eigenen Satrapen verloren. Ein Wüterich von Wotans Gnaden, der seine Blitze gegen die Betondecke seines Bunkers schleuderte. Matthäi war am Letzten. Um dies zu erkennen, brauchte man weder Defätist noch Vaterlandsverräter zu sein. Wer in einer solch aussichtslosen Lage weiter an den Endsieg glaubte, konnte nur ein Fanatiker oder ein Fantast sein. Altenbrunner war weder das eine noch das andere. Er war Realist und kein irrwitziger Vabanquespieler, kein gefährlicher Narr wie Hitler einer war. Er hatte sich nie für das Ideal der Reinheit der Rasse, für die „limpieza de sangre“ wie es bei den Falangisten Francos hieß, erwärmen können.

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