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Cruzifixus

Cruzifixus

Titel: Cruzifixus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans-Peter Dinesh Bauer
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Er war Soldat – und als solcher zollte er seinen Gegnern Respekt. Einem Gegner, der ihnen in jeder Hinsicht überlegen war. Ein Gegner, der die Klinge an ihre Kehle legte. Als Besiegte waren sie auf Gedeih und Verderb der Willkür des Siegers ausgeliefert. Hatte es so weit kommen müssen? Solchen Gedanken nachzuhängen, führte jedoch letztendlich nur zur ernüchternden Erkenntnis, dass sich Geschichte wiederholte und der Mensch nichts dazu lernte. Mit zusammengebissenen Zähnen knirschte er: „Wehe uns! Vae victis!“
     
    Endlich waren Sie oben auf dem Felsblock angelangt. Eine Kraft raubende Kletterpartie lag hinter ihnen. Doch der Aufstieg auf die frei stehende Kalkklippe hatte sich gelohnt. Neben ihm lugte der Luftraumspäher durch den Feldstecher. Von der Felsspitze hatte man eine freie Rundumsicht. Fünfzig, zwanzig Meter unter ihm knabberte die Truppe im Schutz einiger monolithischer Felsblöcke lustlos an den knochentrockenen Zwiebackrationen. Das glibberige, eklige Büchsenfleisch rührten hingegen nur einige Hartgesottene an, denen es vor gar nichts grauste. Altenbrunner war erfahren genug, um den halblauten Gemurre und Gemecker, den aufmüpfigen Gerede einiger Unzufriedener keine allzu große Beachtung zu schenken. Er ließ Sie reden. Er wusste selbst, dass ihr so genannter Feldproviant eine Zumutung, ein Skandal war. An dem steinharten Kommisbrot, bissen sich die gefräßigsten Piranhas ihre Zähne aus. Ohne eine halbwegs vernünftige Verpflegung schwanden Kampfkraft und Moral der Truppe rapide. Es war eine alte Legionärsweisheit: mit leerem Bauch stirbt sich schlecht.
                Die Instruktoren an den SS-Kaderschmieden hatten ihnen eingetrichtert, dass der Starke, der Mutige über die Schwachheit und Feigheit triumphierte. Das Gegenteil war eingetroffen: die tollkühnen Draufgänger starben den Heldentod und übrig blieb das gemeine Fußvolk. Je länger der Krieg dauerte, desto weniger wählerisch konnte man in Bezug auf das rekrutierte Menschenmaterial sein. Aus knochigen, abgezehrten Jammergestalten ließ sich jedoch keine schlagkräftige Einheit formen, aus ängstlichen Kläffern wurden keine harten Hunde.
                Auf seine Männer würde er sich jedoch im Ernstfall verlassen können. Zur Bewachung des Führer-Komplexes am Obersalzberg wurden nur absolut verlässliche, handverlesene SS-Recken abkommandiert. Zudem hatte Rottenbucher wie gewohnt ein gutes Auge bei der Auswahl bewiesen: Kampf erprobte Teufelskerle, die zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl waren, sich bei Kommandounternehmen hinter den feindlichen Linien ihre Tapferkeitsmedaillen und Ritterkreuze verdient hatten.
                Sein Begleiter war solch ein beinharter Hammel. Ein baumlanger, weizenblonder Hüne, stark und knorrig wie eine alte Eiche. Beim überstürzten Rückzug aus dem Latium war er zusammen mit einem Kameraden von seiner Einheit abgeschnitten worden. Die beiden waren völlig auf sich allein gestellt - dennoch hatten Sie nicht aufgegeben. Die tolldreisten Teufelskerle waren kreuz und quer durchs Feindesland marschiert, hatten einen Jeep der Amis gekapert und waren mit der Karre kalt lächelnd an den vorrückenden Truppen der Alliierten vorbeigebraust und hatten sich zu den deutschen Linien durchgeschlagen.
                Sein Begleiter hob den Feldstecher ans Auge und peilte die Kammlinie im Südwesten an. Aus welcher Richtung würde der Angriff erfolgen? Aus Norden, aus Westen, aus Süden? Beunruhigt kraulte er seinen ins Kraut geschossenen Freibeuterbart:
                „Na Bachmann, schon etwas im Visier? Irgendein verräterisches, metallisches Glitzern zu erkennen?“ Mit starren, konzentrierten Blicken suchte Bachmann den Horizont nach im Anflug befindlichen Flugzeugen ab. Der Hüne aus dem hohen Norden war kein Freund langer Reden. Quälend langsam tröpfelten die Worte aus seinen verkniffen wirkenden Mundwinkeln:
                „Nichts zu sehen, Herr Standartenführer. Aber wenn Sie mich fragen: ich trau den Frieden nicht! Irgendetwas ist da im Busch!“ Ja, Bachmann hatte Recht. Es war zu schön, zu friedlich um wahr zu sein. So als ob ringsum tiefster Frieden wäre, drang das Kuhglockengeläut von einer tiefer gelegenen Alm zu ihnen empor. Tief in seinem Innern vermeinte er jedoch das Bellen der Drillingsflak, das dumpfe Brummen der Motoren, das Zischen der Leuchtspurmunition zu hören. Er versuchte die aufwühlenden Zerrbilder, diese

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