Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
Schuhsohle auf dem Boden.
Ihre Muskeln spannten sich an. Sie atmete tief durch. Vielleicht war es eine Prüfung.
Sie drehte sich um und sah niemanden. Nichts. Nur die Blumen in den Hängekörben schaukelten leicht …
Da huschte plötzlich eine dunkle Gestalt vorbei, schnell wie der Blitz. Schwester Rebecca hatte sie nur aus den Augenwinkeln gesehen.
»Wer ist da?«, flüsterte sie. Vorahnungen jagten ihr eine Gänsehaut über den Rücken; das Atmen fiel ihr schwer. »Zeigen Sie sich!« War es Einbildung? Eine Sinnestäuschung durch Licht und Schatten? Die Oberin unterdrückte ihre Angst, schob eine Hand in ihre Tasche und wickelte sich den Perlenstrang ihres Rosenkranzes um die Finger.
Fürchte dich nicht, der Herr ist mit dir.
Sie wandte sich der Eingangstür zum Klostergebäude zu. Sicher hatte sie sich alles nur eingebildet. Eine alte, närrische Frau, deren schlechtes Gewissen ihren Verstand trübte.
In diesem Augenblick sprang er aus der Dunkelheit auf sie zu.
Eine große, flinke Gestalt, die gegen ihren Rücken prallte.
Diesem Gewicht konnte die alte Ordensschwester unmöglich standhalten, und sie stürzte. Versuchte zu schreien, doch eine große, behandschuhte Hand legte sich über ihren Mund.
Nein!
Nein, nein, nein!
Sie spürte, wie ihr Rücken knackte, als er sie von hinten fest umklammerte.
Sein anderer Arm hob sich vor ihr Gesicht. Eine lange Messerklinge blinkte im Mondlicht.
Hilfe! Bitte, hilf mir doch jemand! Oh, lieber Gott, bitte.
Außer sich vor Angst, versuchte Schwester Rebecca zu schreien, zu beißen, sich zu wehren, doch seiner gewaltigen Kraft hatte sie nichts entgegenzusetzen.
Mit einer schnellen Bewegung fuhr die Klinge hinab.
Tief in ihre Brust.
Die Oberin keuchte, dann brach sie mit einem gurgelnden Laut in die Knie. Ihr schwindelte, der Schmerz drang ins Innerste ihrer Seele. Wer tat so etwas? Sie versuchte sein Gesicht zu erkennen, doch es blieb im Dunkeln verborgen. Ihre Stimme versagte, sie konnte nur zusehen, unfähig, sich zu rühren, unfähig, jemanden vor dem drohenden Grauen zu warnen.
Er schlüpfte durch die offene Tür ins Kloster, während ihr Blut auf die glatten, abgenutzten Steine floss.
Er war noch nicht fertig.
Weitere Morde würden folgen.
Und die Geheimnisse, die sie so verzweifelt gehütet hatte, würden enthüllt werden.
Herr,
betete sie stumm, ehe Nebel und Dunkelheit sie umfingen,
vergib mir, denn ich habe gesündigt.
Die Geräusche der Nacht, das Plätschern eines langsam fließenden Baches, das Flüstern des Windes im Laub der Bäume, das Rattern eines Zuges auf den nahen Gleisen – all das wurde übertönt vom Rauschen des Blutes in seinen Ohren und dem glückseligen Schlagen seines Herzens.
Er hatte die alte Nonne umgebracht, wie die Stimme es befohlen hatte. Er musste sie zurücklassen, noch ehe sie ganz verblutet war, und im Kloster verschwinden, denn er glaubte jemanden kommen zu hören. Schon fürchtete er, dass er auch den Eindringling würde unschädlich machen müssen, doch die Flure des Klosters waren still und menschenleer.
Nachdem er sich vergewissert hatte, dass er allein war, kehrte er zu der Leiche zurück, schrieb mit dem in Blut getauchten Finger der alten Frau etwas an die Klostermauer und zückte dann sein tragbares Tätowiergerät, um rasch die Zahl auf ihre Stirn zu stechen. Es war ihm zuwider, so grob arbeiten zu müssen, doch die Zeit drängte. Seine beste Arbeit, seine Kunstwerke konnte er nur an seinem eigenen Körper anbringen.
Er beeilte sich und schlich dann weiter durchs Gestrüpp, den Trampelpfad entlang. Das Blut sang noch immer in seinen Adern. Seine Mission war noch nicht beendet, er musste sich ein weiteres Opfer holen. Doch immerhin hatte er die Leiterin des Klosters, die Mutter Oberin, ins Jenseits befördert.
Ihre Seele war befreit.
Ihr Körper würde nicht wieder zum Leben erwachen.
Und jetzt zu dem Ritual …
Drinnen, hinter verriegelter Tür, zündete er trotz der warmen Nacht ein Feuer an, zog sich aus, wusch seine Schuhe und Kleider und breitete seine Plastikplane vor dem Kamin aus. Nachdem er den Spiegel im richtigen Winkel aufgestellt hatte, duschte er unter dem pulsierenden Wasserstrahl, reinigte Körper und Geist. Anschließend zündete er nackt die Kerzen an, langsam, eine nach der anderen.
Den Rosenkranz in der Hand, betete er lange und inbrünstig. Dann endlich, als seine Seele ebenso gereinigt war wie sein Körper, holte er seine Gerätschaften hervor und begann mit der
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