Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
Einfahrt wartete bereits ein Streifenwagen mit Bentz am Steuer. Montoya stieg an der Beifahrerseite ein und fand einen Becher Kaffee im Getränkehalter vor.
»Wie hast du das geschafft?«, fragte er, griff nach dem Becher und trank einen Schluck.
»Ein durchgehend geöffneter Kiosk«, erwiderte Bentz und fuhr los.
»Sag mal, wie lange bist du denn schon auf den Beinen?«, fragte Montoya, während er von der heißen Brühe trank. Er bemerkte, dass Bentz’ Haar noch feucht war.
»Lange genug. Ich habe schon am Punchingball trainiert und geduscht.«
»Und Kaffee besorgt.« Montoya runzelte die Stirn. Die Morgendämmerung begann, den Himmel heller zu färben. »Ihr Frühaufsteher geht mir auf die Nerven.« Bentz umkurvte einen in zweiter Reihe abgestellten Lieferwagen und fuhr weiter in Richtung Freeway.
»Erzähl, was passiert ist.«
»Schwester Odine vom Kloster hat mich angerufen. Sie hat Schwester Rebecca im Kreuzgang gefunden.«
»Verdammt.« Montoya blickte hinaus in die beginnende Dämmerung und stellte fest, dass trotz der frühen Stunde bereits reger Verkehr stadteinwärts herrschte. Die Reihe der Frontscheinwerfer war endlos. »Vermutlich ist die Presse längst dran an der Story.«
»Es würde mich nicht überraschen.« Bentz warf seinem Partner einen Blick zu. »Wenn nicht, dann wird sie es jedenfalls sehr bald sein.«
»Und das FBI auch. Sie werden sich auf diesen Fall stürzen wie die Fliegen auf einen Scheißhaufen. Na, wenigstens kriegen sie dann auch was von dem Druck ab.«
Bentz brummte zustimmend und wechselte die Spur, um abzubiegen. »Übrigens, ich habe endlich Tweedle Dee und Tweedle Dum an die Strippe gekriegt.«
»Wen?«, hakte Montoya gereizt nach. Es war noch viel zu früh für Wortspiele.
»Die Brüder von Eve Renner. Sie sind beide noch in der Stadt. Ich habe für heute Vormittag ein Treffen mit ihnen vereinbart. Bin mal gespannt, was sie über ihren lieben alten Dad zu sagen haben.«
»Ich auch.« Montoya verzog das Gesicht. »Sie haben dich beide angerufen? Unabhängig voneinander?«
»Im Abstand von einer halben Stunde.«
»Sie sind also zusammen?«
»Sieht so aus. Und die Frau, Kyles Ehefrau – das Ganze scheint ihr nicht sonderlich zu gefallen. Sie hat mich ein paarmal angerufen und gefragt, ob Kyle sich schon bei mir gemeldet hätte.«
»Gestörte Kommunikation.«
»Ich nehme an, sie wollen, dass die Leiche möglichst bald freigegeben wird, damit sie den Alten unter die Erde bringen und sein Vermögen aufteilen können.«
»Du kennst sie doch noch gar nicht«, gab Montoya zu bedenken.
»Ich sage nur, wie ich es bisher empfinde. Nach den Fragen zu urteilen, die sie mir gestellt haben, muss ich annehmen, dass Renner und seine Söhne kein besonders inniges Verhältnis hatten.«
»Adoptivsöhne. Haben wir eigentlich schon festgestellt, wer ihr leiblicher Vater ist?«
Bentz schüttelte den Kopf. »Gilt als vermisst. Seit über zwanzig Jahren.«
»Es wäre interessant zu erfahren, was aus ihm geworden ist.«
Bentz lenkte den Streifenwagen über die Landstraße, die zwischen Feldern und Wäldern hindurch zum Kloster Our Lady of Virtues führte. Das Funkgerät knisterte, die Sterne verblassten am Morgenhimmel, und Montoya versuchte, sich auf diesen Fall zu konzentrieren. Noch ein Mensch ermordet. Keine halbe Meile von dem alten Krankenhaus entfernt. »Hast du eine Ahnung, wann Eve Renners DNA untersucht wird?«
»Ich habe Jaskiel gefragt, weil ich dachte, die Bezirksstaatsanwältin hätte entschieden mehr Einfluss als ich. Sie hat das Labor angewiesen, die Probe bevorzugt zu behandeln, was immer das heißen soll.«
»Hm«, machte Montoya stirnrunzelnd. »Na, das ist doch schon mal besser als nichts.«
Die Straße gabelte sich. Eine Abzweigung führte zu dem verlassenen Klinikgebäude, die andere zum Kloster. Obwohl die Anstalt von hier aus nicht zu sehen war, hatte Montoya das Gefühl, ihre Nähe zu spüren.
Und er wusste instinktiv, dass diese neue Mordserie mit den Geheimnissen zusammenhing, die dort verborgen lagen.
Vergöttlicht!
Die Stimme hatte ihm versprochen, dass er
vergöttlicht
würde, wenn er seine Aufgaben erfüllt hatte.
Er fuhr durch die dunkle Nacht. Das Blut rauschte durch seine Adern, sein Puls pochte in den Schläfen. Er nahm die Scheinwerfer der entgegenkommenden Fahrzeuge kaum wahr, denn im Geiste durchlebte er wieder und wieder die Opferung. Er hatte die Angst der alten Nonne gespürt, das Grauen in ihren Augen gesehen, als sie ihn
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