Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
Renner beinahe getötet hätte.
Er konnte sich keine weiteren Pannen leisten.
Selbst wenn er absolut unschuldig gewesen wäre.
Was er natürlich nicht war.
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2.
E r ist schuldig.« Montoya blickte finster durch den Einwegspiegel in den Raum, in dem Cole und sein Anwalt warteten. »Schuldig wie die gottverdammte Sünde.«
Bentz grunzte etwas und nickte knapp. Sie standen in einem abgedunkelten Raum, in dem es schwach nach kaltem Zigarettenrauch roch.
Mittlerweile hätte Montoya für einen Zug an einer Zigarette zum Mörder werden können, doch er hatte das Rauchen aufgegeben, hatte die geliebten Marlboro zuerst durch ein Nikotinpflaster ersetzt und dann, in den letzten paar Monaten, durch geschmacksneutralen Kaugummi, der allerdings kaum mehr war als eine nutzlose orale Ersatzbefriedigung. In Situationen wie dieser, wenn er sich konzentrieren wollte, war die Versuchung, wieder zur Zigarette zu greifen, am stärksten. Er kratzte sein Kinnbärtchen und kämpfte gegen den Drang an, in den Nebenraum zu stürmen, Cole Dennis am Kragen zu packen und die Wahrheit aus ihm herauszuprügeln.
»Wir können ihn nicht länger festhalten. Die Bezirksstaatsanwältin lässt die Mordanklage fallen.« Bentz war ebenfalls enttäuscht. Und wütend. Er biss die Zähne zusammen, und seine Lippen wurden schmal.
»Himmelherrgott.« Montoya wollte Cole Dennis im Gefängnis sehen. Er zupfte an seinem Diamant-Ohrstecker. Zwar hatte es ihn befriedigt, dass der Anwalt in Handschellen abgeführt worden war und fast neunzig Tage in Untersuchungshaft verbracht hatte, wo er die steife baumwollene Gefängniskluft tragen musste – lange genug, dass ihm sein überlegenes Grinsen verging –, doch das genügte nicht. Der Mistkerl war für den Großteil seines Erwachsenenlebens in Designeranzügen herumgelaufen, war Mitglied in den exklusivsten Tennis- und Golfclubs gewesen und hatte einige der größten, reichsten Drecksäcke vor ihrer gerechten Strafe bewahrt, wenn sie wegen Verbrechen, die von Steuerhinterziehung bis hin zu Körperverletzung reichten, vor Gericht standen. Es war höchste Zeit, dass er dafür bezahlte.
Aber der verdammte Fall war ihnen unter den Händen zerronnen. Zuerst war Dennis gegen Kaution auf freien Fuß gekommen, dann wegen Verstoßes gegen die Kautionsauflagen erneut inhaftiert worden, aber nun mussten sie ihn trotz allem laufen lassen. Montoya schüttelte den Kopf. Der Kerl hatte eine glatte Million verloren, aber er würde freikommen. Montoya kratzte seinen Bart noch energischer, bemerkte, dass Bentz ihn beobachtete, und furchte die Stirn. »Was denn?«
»Vergiss die Sache.«
»Das kann ich nicht, verdammt. Dennis war in der Mordnacht in Roy Kajaks Hütte. Schließlich haben wir vor der Tür einen Fußabdruck gefunden, Größe zwölfeinhalb – Dennis’ Größe.«
»Und wo ist der passende Schuh oder Stiefel?«
»Weg. Genau wie die Kleidung. Da muss eine Menge Blut von Kajak dran gewesen sein. Und immerhin haben wir Dennis unter der Dusche erwischt, nicht wahr?«
»Aber wir haben sein ganzes Haus auf den Kopf gestellt auf der Suche nach den Schuhen, den Kleidern, Blutspuren – da war absolut nichts zu finden.«
Montoya zuckte die Schultern. Die Forensiker hatten tatsächlich keinerlei Rückstände von Blut gefunden, nicht einmal in den Abwasserrohren. Wohl aber Reste von Bleichmittel … Der Scheißkerl hatte gewusst, wie er es anstellen musste, seine Spuren zu beseitigen. Und er hatte keine Zeit verloren.
Bentz, der immer gern den Advocatus Diaboli spielte, sagte: »Vielleicht hat Cole Roy ja gar nicht umgebracht, sondern nur auf Eve Renner geschossen.«
»Und wer hat Roy dann die Kehle durchgeschnitten?«, fragte Montoya wohl zum hundertsten Mal. Er und Bentz hatten diesen Wortwechsel Tag für Tag aufs Neue durchgespielt, jedoch ohne Ergebnis. Hin und wieder führten sie eine neue Idee ins Feld, nur um wiederum in einer Sackgasse zu landen. Und was zum Teufel hatte die Zahl 212 zu bedeuten? Mit Blut geschrieben, mit dem Zeigefinger der rechten Hand des Opfers.
Und die gleichen Ziffern waren auch auf die Stirn des Toten tätowiert worden. Der Coroner hatte es entdeckt, als er die Leiche säuberte. Handelte es sich um eine Art Code? Die Nummer eines Postfachs? Eine Postleitzahl? Das Passwort für einen Computer? Einen Geburtstag? Die Polizei hatte nichts darüber herausgefunden.
Es war das Gleiche wie bei Faith Chastain. Sie war vor Jahren in der psychiatrischen Klinik Our Lady of Virtues
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