Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
ermordet worden. Und unter ihrem Haar hatte man eine Tätowierung gefunden … Zufall? Zum Teufel! Montoya brauchte dringend eine Zigarette. Vielleicht auch einen Drink.
Welcher Mörder machte sich die Mühe, sein Opfer zu tätowieren? Die Vorstellung, eine Tätowierung an einer Leiche vorzunehmen … pervers. Sie verursachte ihm eine Gänsehaut.
Montoya sah Bentz an. Der harte Blick des älteren Cops war auf den Einwegspiegel gerichtet. Er schürzte gedankenverloren die Lippen, zog die Stirn in Falten und kaute Kaugummi. Nach außen hin mochte er ruhiger wirken als Montoya, aber auch er war gereizt. Aufs Äußerste gereizt.
Wie auch immer, vorerst mussten sie den Scheißkerl auf freien Fuß setzen.
Montoya sah durch die Scheibe zu, wie der zuständige Beamte die Verhörzelle betrat, um Cole Dennis im wahrsten Sinne des Wortes den Laufpass zu geben.
Mist.
Sein Magen krampfte sich zusammen. Es war nicht richtig. Verdammt, es war nicht richtig.
Ein paar Federstriche, und das war’s.
Cole Dennis in seinem zerknitterten T-Shirt und den verwaschenen Jeans war wieder ein freier Mann. Er mochte um eine Million Dollar ärmer sein, vielleicht würde er auch seine Zulassung als Anwalt verlieren, aber man konnte ihn nicht länger hinter Schloss und Riegel halten.
Scheiße!
Ohne den Blick abzuwenden, nahm Montoya seine Lederjacke von der Lehne eines freien Stuhls.
Dennis, bereits an der Tür, besaß die Dreistigkeit, über die Schulter einen Blick zurück zu dem Einwegspiegel zu werfen, doch er lächelte nicht. Nein, seine Augen wurden schmal, er presste die Lippen zusammen, und die Haut über seinen Wangenknochen spannte sich. Er war rasend wütend.
Gut so.
Montoya konnte nur hoffen, dass der Scheißkerl in seiner Wut einen weiteren Fehler beging.
Und dann würde er, Montoya, Cole Dennis bis ans Ende seines erbärmlichen Lebens hinter Gitter bringen.
Eve hielt das Steuer fest umklammert. Sie bewegte die Schultern, um ihren verspannten Nacken zu lockern, und versuchte die Kopfschmerzen zu ignorieren, die sich während der Fahrt nach Süden in Richtung New Orleans noch verstärkt hatten. Der Regen hatte zwischenzeitlich immer wieder zu- und abgenommen, manchmal fielen nur vereinzelte Tropfen vom düsteren Himmel, dann wieder gingen wahre Wolkenbrüche nieder. Als sie durch Montgomery fuhr, hörte es schließlich ganz auf, und die Sonne brach durch die Wolken und tauchte die Hügel, die Wolkenkratzer und den Alabama River in goldenes Licht. Zur selben Zeit war auch Samsons klägliches Geschrei endlich verstummt.
Doch der Frieden währte nicht lange. Jetzt, ein paar Meilen vor Mobile, prasselte der Regen wieder erbarmungslos auf den Camry nieder. Die Scheibenwischer konnten die Fluten kaum bewältigen, Eves Magen knurrte, und Samson maunzte kläglich.
An der nächsten Ausfahrt beschloss Eve entnervt, an einem Imbiss haltzumachen, etwas zu essen und das Ende des Wolkenbruchs abzuwarten. Bei diesem Unwetter kam sie ohnehin nur langsam voran. Auf dem asphaltierten Parkplatz standen nur hier und da ein paar vereinzelte Fahrzeuge. Eve spannte ihren Schirm auf und lief auf das Lokal zu, wobei sie großen Regenpfützen ausweichen musste. Unter einem Vordach bei der Hintertür standen ein paar rauchende Teenager, offenbar Mitarbeiter des Lokals, die gerade eine Pause machten. In einen dunklen Pick-up saß ein Mann, der ebenfalls rauchte. Die Glut seiner Zigarette glomm rot im dunklen, verqualmten Wageninneren.
Eve beachtete ihn nicht weiter, sondern trat durch die Glastür in das hufeisenförmig angelegte Restaurant, in dem die Klimaanlage ächzte und die Friteusen zur Melodie eines Johnny-Cash-Klassikers brutzelten. Der Geruch von Röstzwiebeln und gebratenem Fleisch schlug ihr entgegen.
Eve ließ sich in einer freien Nische am Fenster nieder und studierte die Speisekarte, bis die Kellnerin kam und ihre Bestellung aufnahm. »Was darf’s denn sein?«, fragte die Frau. »Kaffee? Tee? Mineralwasser? Übrigens, unser Tagesgericht, der Hackbraten, ist sehr zu empfehlen. Wirklich ganz köstlich!«
»Ich nehme einen Tee und ein Shrimp-Sandwich.«
»Kommt sofort.« Die Kellnerin eilte davon und brachte Sekunden später den Tee. Eve schüttelte die letzten drei Ibuprofen aus dem Röhrchen in ihrer Handtasche, spülte die Tabletten mit einem großen Schluck Tee hinunter und betete, dass sie schnell wirkten. Flüchtig fragte sie sich, ob Anna Maria recht gehabt hatte – vielleicht war sie dieser Fahrt wirklich noch
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