Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
»Nicht!«, schrie sie. Doch der Schuss ging los, ein weißer Blitz, Glas splitterte, und dann durchfuhr ein brennender Schmerz ihre Schulter und ihren Kopf.
»Eve!«, rief er. Die Welt drehte sich. Sie stürzte, den Blick auf ihn gerichtet, und in ihrem Kopf schrie es: NEIN , NEIN , NEIN ! Er war so nah und doch so fern … und das Messer … Sie erinnerte sich an ein gefährlich aussehendes Messer. An Blut, das auf den Boden tropfte. Cole hatte ein Messer bei sich … Nein! Das Messer war nicht in Coles Hand …
Wer war es, der das Messer hielt?
Die Schwärze überwältigte sie, und binnen Sekunden war sie bewusstlos.
Schlagartig sah sie Cole mit ganz anderen Augen. Sie zitterte, ihr Magen hob sich, als sie sah, dass er es wusste. Seine blauen Augen verrieten Schmerz und Bedauern. Er wusste es. Hatte es die ganze Zeit über gewusst. Während der vergangenen drei Monate hatte er sein Geheimnis gehütet, zu seinem eigenen Schutz gelogen.
»Du warst dort«, flüsterte sie mit heiserer Stimme. »Du verdammter Lügner, du warst
doch
dort!«
Er widersprach nicht. Es war überflüssig.
»Aber wir waren nicht allein. Außer uns war noch jemand in dem Raum. Roys Mörder.« Sie schluckte krampfhaft. Die Vorfälle jener Nacht nahmen vor ihr Gestalt an, die Bilder wurden scharf, der Nebel verflüchtigte sich. »Du wolltest auf ihn schießen«, erkannte sie. »Aber du hast stattdessen mich getroffen. Und dann hast du
gelogen.
Warum, Cole? Was weißt du? Was verheimlichst du mir?«
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28.
C ole sah Eve an. Es war an der Zeit, den Kampf aufzugeben. »Ich war dort«, gestand er ihr – das erste Mal, dass er das zugab. Ihr entsetzter Gesichtsausdruck tat ihm weh, doch er sprach rasch weiter. »Mir schien in jener Nacht einfach etwas faul zu sein an der ganzen Sache. Ich wusste, wohin du wolltest, und dachte mir, da ich mich ja in der Gegend auskannte, könnte ich dir zuvorkommen und herausfinden, was Kajak von dir wollte. Von was für ›Beweisen‹ da die Rede war. Aber als ich ankam, war Roy schon tot.«
»Du warst … vor mir dort.«
»Ich geriet in Panik. Okay, das gebe ich zu. Ich hatte mein Handy nicht bei mir, konnte die Polizei nicht rufen, und dann sah ich dich in die Hütte gehen und befürchtete, das Ganze könnte eine Falle sein. Jemand könnte Roy gezwungen haben, dich anzurufen und dich zu einem Treffen in die Hütte zu bestellen.
Noch bevor ich dich warnen konnte, habe ich ihn am Fenster gesehen. Ich habe auf ihn geschossen, und, ja, dabei habe ich versehentlich dich getroffen. Du hast das alles in einem Spiegel gesehen, nicht im Fenster.«
»Und dann hast du mich einfach liegen lassen«, flüsterte sie.
»Nein, ich bin bei dir geblieben. Deswegen habe ich den Kerl ja nicht erwischt. Ich habe von deinem Handy aus den Notruf verständigt und bin geblieben, bis sie kamen. Ja, dann habe ich mich schnellstens aus dem Staub gemacht. Als der erste Polizist zur Haustür hereinkam, schlich ich mich zur Hintertür hinaus. Ich habe noch gewartet, bis wenige Minuten später der Notarzt eintraf. Dann bin ich abgehauen.«
»Ich hätte sterben können. Ich – Wer ist
er?
«
»Ich konnte ihn nicht richtig sehen, es ging alles so schnell. Und ich konnte dich ja nicht allein lassen, um ihn zu verfolgen.« Er streckte die Hand nach ihr aus, doch Eve zuckte zurück.
»Du hättest die Polizei auf die Spur des Mörders bringen können!«
»Die hätten mir doch nie im Leben geglaubt. Ich war schließlich unmittelbar am Tatort. Und ich war eifersüchtig auf Roy. Sowohl ein Motiv als auch die Gelegenheit waren gegeben.«
»Du hättest bleiben müssen«, beharrte Eve mit einem Anflug von Hysterie in der Stimme. »Du hättest dich der Polizei stellen sollen.«
»Und ihnen von dem ›wirklichen‹ Mörder erzählen? Von dem Kerl, den ich gar nicht richtig gesehen habe? Wie Dr. Richard Kimble in
Auf der Flucht?
Immer auf der Suche nach dem verdammten Einarmigen.« Er packte sie am Arm, und als sie sich losreißen wollte, hielt er sie nur noch fester. »Okay, vielleicht hätte ich bleiben sollen. Mich den Vorwürfen stellen sollen wie ein Mann. Ohne daran zu denken, dass die Polizei von New Orleans seit Jahren scharf auf mich ist. Aber ich dachte, ich könnte den Mord auf eigene Faust aufklären.«
»Wie Dr. Kimble«, wiederholte sie bitter und schüttelte seine Hand ab. »Und ich habe mir immer und immer wieder gesagt: Glaub ihm nicht, er ist ein Lügner, geh nicht mit ihm und verlieb dich um Himmels willen
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