Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
könnte es ganz gemütlich sein.«
Er zog eine dunkle Braue hoch. »Möchtest du lieber zurück in dein Haus?«
Sofort stand Eve wieder das Bild von der blutigen Puppe auf ihrem Bett vor Augen. »Du hast ja recht. Dagegen ist das hier beinahe ein Fünf-Sterne-Hotel.« Sie stellte den Transportkorb mit Samson auf den Boden und öffnete das Türchen. Der Kater schoss sofort heraus und begann, das Zimmer zu erkunden. »Nur gut, dass wir unseren eigenen pelzigen, vierbeinigen Schädlingsvernichter mitgebracht haben.«
Cole ging zum Fenster, ließ es jedoch geschlossen und legte nur den Hebel der Klimaanlage um, die sich rasselnd in Betrieb setzte. Eve hoffte inständig, sie möge für ein wenig Kühlung und Luftzirkulation sorgen. »Das Beste an dieser Wohnung ist, dass kein Mensch von ihr weiß.«
»Außer dem Vermieter.«
»Petrusky schweigt wie ein Grab«, versicherte Cole. »Er hat zu viel zu verlieren.«
»Aaah. Ein Klient.«
Er warf ihr einen stummen Blick zu, dann machte er sich daran, die Schlafsäcke und Kissen auf dem Boden auszubreiten. Eve mochte sich nicht vorstellen, was für Ungeziefer schon über den fleckigen Teppich gekrabbelt sein mochte, und erst recht wollte sie nicht daran denken, wer hier wohl gewohnt hatte, bevor Cole das Zimmer übernahm.
»So, Ms Renner. Sofern du es schaffst, die Finger von mir zu lassen, könnten wir uns jetzt an die Arbeit machen.«
»Und die wäre?«
»Wir müssen herausfinden, wer hinter all diesen Vorfällen steckt. Ich habe beschlossen, so vorzugehen, wie ich es immer bei meinen eigenen Fällen getan habe. Wenn ich jemanden gegen die Polizei verteidigen musste, habe ich stets Wert darauf gelegt, genauso gut informiert zu sein wie sie.«
»Ach ja?«
Er lächelte. »Irgendjemand ist immer bereit zu reden. Für einen bestimmten Preis.«
»Das ist der stumpfste Zynismus, der mir je untergekommen ist. Selbst aus deinem Mund.«
Er überging den Seitenhieb. »Es stimmt nun einmal.«
»Moment mal. Willst du damit sagen, du weißt von einer undichten Stelle in der Behörde?«, fragte sie verblüfft.
»›Undichte Stelle‹ ist stark untertrieben, Lady«, beteuerte er und legte zwei Schreibblöcke und eine Schachtel mit Stiften bereit. »Es handelt sich um einen gottverdammten Dammbruch.«
Eve ließ sich skeptisch auf dem behelfsmäßigen Bett nieder und öffnete die Schachtel. »Und warum hast du diese Informationsquelle nicht schon vorher angezapft?«
Er setzte sich neben sie und griff nach einem Stift. »Das habe ich, aber ich musste äußerst behutsam vorgehen. Schließlich war ich selbst ein Verdächtiger. Ich wurde verfolgt, beschattet, observiert, wie immer du es nennen willst. Vielleicht litt ich unter Verfolgungswahn, aber ich war überzeugt, dass mein Telefon abgehört wurde, ich traute nicht einmal mehr meinem Handy. Auf keinen Fall durfte ich riskieren, meine wichtigsten Quellen in Gefahr zu bringen. Deshalb habe ich mich still verhalten.«
»Und jetzt?«
»Montoya und Bentz täten nichts lieber, als mich einzulochen, aber die beiden sind nicht blöd – inzwischen liegt sonnenklar auf der Hand, dass ich nicht hinter diesen Morden stecke. Auch nicht hinter dem an Roy.«
Eve wollte Cole gerade fragen, wer seine Quelle war, doch als er Roys Namen nannte, stutzte sie. Es klickte förmlich in ihrem Kopf, als sei in ihrem Gehirn etwas eingerastet.
Plötzlich strömten Erinnerungen an jene Nacht in ihr Bewusstsein. Sie erinnerte sich, wie sie mit Cole geschlafen hatte und wie sie dann gestritten hatten, wie sie die Treppe hinuntergehastet war und er ihr folgte, noch während er in seine Kleider schlüpfte. Er wollte sie aufhalten, doch sie ließ sich nicht von ihrem Vorhaben abbringen. Und als sie dann in der Hütte eintraf, fand sie Roy tot vor. Überall war Blut, an der Wand stand mit Blut geschrieben diese schreckliche Zahl, und in der Scheibe sah sie eine Pistole, die auf sie gerichtet war … nein … nicht auf sie … aber in ihre Richtung, als zielte er über ihre Schulter hinweg …
Sie blinzelte, und das Bild wurde klarer, schärfer.
»Cole«, flüsterte sie.
Ihr Herz raste, während Erinnerungsfetzen sich zusammenfügten, miteinander verschmolzen und wieder auseinanderbrachen. Doch sie hatte einen Blick erhascht, einen sehr realen Blick auf das, was sich in jener Nacht wirklich zugetragen hatte.
»Was?«, fragte er, doch Eve war ganz in ihre Erinnerungen versunken.
Sie sah Coles Gesicht in der Dunkelheit, den Lauf seiner Waffe.
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