Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
Vater. Ich bin Faith Chastain nie begegnet.«
Eve war einigermaßen erleichtert. Schlimm genug, dass ihr Adoptivvater gerade erst brutal ermordet worden war – sie hätte sich jetzt nicht auch noch mit dem Gedanken anfreunden können, dass dieser hartgesottene Detective, dem sie so streitlustig begegnete, der Mann sein sollte, der sie gezeugt hatte. Bentz hatte ebenso wie Montoya ihre Aussagen von Anfang an in Zweifel gezogen, und beide Männer waren versessen darauf, Cole hinter Gittern zu sehen.
Dennoch überzeugte sein Gesichtsausdruck sie davon, dass er selbst an das glaubte, was er ihr eben mitgeteilt hatte.
»Könnten Sie mein Halbbruder sein?«, fragte sie und rieb sich den Arm, der immer noch in der Schlinge lag. »Wäre es möglich, dass wir denselben Vater haben?«
Montoya griff nach seinen Zigaretten und steckte sich noch eine an.
Bentz antwortete: »Nach allem, was ich weiß, nicht. Mein Dad wurde im Dienst erschossen, lange bevor Sie hätten gezeugt sein können.«
»Dann vielleicht ein Onkel?«
»Diese Frage kann ich Ihnen im Augenblick noch nicht beantworten. Aber glauben Sie mir, ich werde es herausfinden.« Er biss entschlossen die Zähne zusammen.
»Abby ist jedenfalls meine Halbschwester?«
»Ja.«
Montoya lehnte an seinem Wagen und musterte Eve forschend. »Ich wollte es ihr heute Abend sagen – es sei denn, Sie möchten das übernehmen.«
Eve brauchte nicht lange zu überlegen. »Ich überlasse es Ihnen, Detective. Aber bitten Sie sie doch, mich anzurufen, wenn sie mag.«
Montoya nickte. »So, wie ich sie kenne, wird sie zum Telefon greifen, sobald sie es erfahren hat.«
»Ich würde mich freuen, wenn sie sich meldet, wann immer es ihr passt.« Eve fühlte sich seltsam benommen. Wenn es tatsächlich wahr sein sollte, wenn … Dann waren Abby und Zoey Chastain beide ihre Halbschwestern, und auch Rick Bentz gehörte irgendwie zur Familie.
»Es gibt noch etwas, das Sie wissen sollten: Wir haben ein Grab gefunden, in dem angeblich Faiths Kind, ein Junge, beerdigt worden sein soll«, sagte Bentz.
»Ein Grab?« Eve erstarrte; sie spürte, wie Cole dichter neben sie trat. »Das Grab eines Kindes?«
»Es gab kein Kind. Jedenfalls haben wir dort keines gefunden.«
Sie presste einen Handballen gegen die Stirn und schloss die Augen. »Sie haben ein leeres Grab für Faiths Kind gefunden … Das heißt, das Grab war für
mich
bestimmt?«
»Wir glauben, dass es ursprünglich für Faiths Kind bestimmt war, doch jemand hatte sich daran zu schaffen gemacht. Die Erde war frisch aufgeworfen, und als wir den Sarg öffneten, fanden wir darin ein totes Schwein.«
Angewidert umschlang Eve ihren Oberkörper mit dem gesunden Arm und schmiegte sich an Cole.
Montoya fuhr fort: »Aber das ist nicht das Einzige, was wir gefunden haben. Im Sarg befand sich außerdem eine mit Blut geschriebene Botschaft. ›Reue – Fegefeuer‹.«
»Reue – Fegefeuer«, wiederholte Cole. »Noch ein Palindrom.« Seine Miene verfinsterte sich. »Das geht ja Schlag auf Schlag.«
»Das Blut in Ihrem Schlafzimmer … Es stammte von dem Schwein.«
»Um Himmels willen, warum das alles?«, flüsterte Eve. All diese Enthüllungen brachten sie völlig aus dem Gleichgewicht. Zwar war sie erleichtert, dass es sich bei dem Blut in ihrem Schlafzimmer nicht um menschliches handelte, aber dennoch wurde ihr übel bei dem Gedanken an den grausigen Anblick und daran, dass jemand so pervers sein konnte, eine Puppe zu verstümmeln, Blut über ihr Bett zu gießen und sich dann noch die Zeit zu nehmen, mit Blut eine verschlüsselte Botschaft an die Wand zu schreiben. Das alles war einem kranken Geist entsprungen. Die Angst ging ihr durch Mark und Bein.
»Wie pervers kann ein Mensch eigentlich sein?«, fragte Cole. Der Abendhimmel war inzwischen fast dunkel, doch kein Stern war zu sehen.
Montoya stieß sich von seinem Wagen ab. »Der Kerl ist ein Psychopath. Krank im Kopf. Und ganz offensichtlich ist er auf Eve fixiert – weshalb, wissen wir noch nicht.«
Eve kannte sich mit Psychosen aus, hatte mit eigenen Augen gesehen, wie sich solche Störungen äußern konnten. Doch bei dem Gedanken, dass ein unbekannter Mörder offenbar große Befriedigung, womöglich sogar sexuelle Erregung empfand, wenn er sie terrorisierte, fühlte sie sich einfach nur krank.
»Wir können Polizeischutz gewähren«, bot Montoya an.
»Sie glauben also, dass ich ernsthaft in Gefahr bin.«
»Glauben Sie das denn nicht?«
»Wenn er mich umbringen
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