Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Cry - Meine Rache Ist Dein Tod

Cry - Meine Rache Ist Dein Tod

Titel: Cry - Meine Rache Ist Dein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
hätte. Nein, ganz im Gegenteil: dadurch, dass sie an ihm gezweifelt, ihn nach einem Blick auf seine zerschlissene Jeans und das verknitterte T-Shirt abgeurteilt hatte. Er war ihr nicht gut genug gewesen.
    Desto entschlossener war er, ihr zu beweisen, dass er tatsächlich so gut war, wie ihr Vater behauptete – »der Beste, der für Geld zu haben ist«.
    Welch ein Hohn.
    Später war ihm die ganze Situation völlig außer Kontrolle geraten, und man sah ja, wohin das geführt hatte.
    Nun war er also der Verdächtige. Wie absurd. Warum war Eve eigentlich ausgerechnet an jenem Tag bei ihrem Vater aufgetaucht? War es Zufall? Oder Teil eines größeren Plans, dessen Ausmaß Cole nicht einmal erahnte? Und wie war das mit Tracy Aliota gewesen, Renners Patientin? War der Psychiater wirklich so unschuldig, wie er behauptete? Hatte er nicht doch ein winziges bisschen gezögert, bevor er sie entließ? Hatte er geahnt, dass sie wieder versuchen würde, sich etwas anzutun? Natürlich war es nicht Renners Schuld, dass das Mädchen Selbstmord beging, aber trug er nicht doch eine
gewisse
Verantwortung?
    Ethik,
sagte Cole zu sich selbst. Er dachte in ethischen Kategorien, nicht in juristischen. Er hatte bewiesen, dass sich Renner im
juristischen
Sinne keiner Verfehlung schuldig gemacht hatte, aber ethisch betrachtet … Das war eine andere Frage.
    Wie auch immer, Renner war freigesprochen worden. Der Staatsanwalt war rasend wütend gewesen, und er, Cole Dennis, stand in Eves Augen als Held da. Genau wie er es sich gewünscht hatte. Sie übte eine solche Anziehung auf ihn aus, dass er die Alarmglocken in seinem Kopf ignoriert hatte. Nur zu bereitwillig hatte er seine eigene eherne Regel gebrochen, jeglichen privaten Kontakt zu Klienten und deren Angehörigen zu vermeiden. Die Grenzen zwischen Beruf und Privatleben zu verwischen, trübte zwangsläufig seine klare Sicht der Dinge, das war ihm durchaus bewusst gewesen.
    Und genauso kam es dann auch.
    Für mehr als zwei Jahre.
    Inzwischen hatte Cole die Innenstadt erreicht und war nicht mehr weit von Renners Haus entfernt. Eine Ampel schaltete auf Rot, und er trat auf die Bremse. Sein Jeep war das einzige Fahrzeug an der Kreuzung. Das Licht der Ampel spiegelte sich auf dem Asphalt. Als sie wieder grün wurde, bog er um die Kurve und fuhr eine einsame Straße entlang.
    Die Stadt war wie ausgestorben, nur wenige Fahrzeuge standen am Straßenrand geparkt, wo die Neonreklame der einzigen Kneipe blinkte. Die Geschäfte hatten bereits seit Stunden geschlossen. Ein streunender Hund trottete knapp hundert Meter vor Coles Wagen über die Straße und verschwand dann in einer engen Gasse. Cole beschlich ein unbehagliches Gefühl – die ganze Szenerie erschien ihm seltsam unwirklich, als sei er auf einen fernen Planeten versetzt worden.
    Er schüttelte das gespenstische Gefühl ab, fuhr weiter die Hauptstraße entlang und aus der Stadt hinaus, durch ein Wohngebiet mit einstöckigen Häusern aus den 1940 ern und 1950 ern, deren Fenster größtenteils dunkel waren. Nur vereinzelt schimmerte Licht durch die geschlossenen Vorhänge.
    Am Stadtrand angelangt, trat Cole aufs Gas. Er überschritt sogar ein wenig das Tempolimit, so sehr drängte es ihn plötzlich, mit Renner zu sprechen. Er versuchte sich einzureden, das Ganze habe nichts mit Eve zu tun. Erst einmal wollte er sich mit dem alten Herrn auseinandersetzen. Später würde er dann entscheiden, was er mit der Frau anfangen sollte, die seine Welt auf den Kopf gestellt, ihm Liebe geschworen und ihn dann betrogen, ja sogar des Mordes bezichtigt hatte.
    Wut brodelte in seinem Inneren. Er wehrte die Gedanken an Eve ab: die schöne, betrügerische, verdammt verführerische Eve. Er durfte jetzt nicht an sie denken.
    Er passierte die vertrauten Wegmarken: eine schmale Brücke, eine Steinmauer, einen schiefstehenden Briefkasten knapp eine Viertelmeile vor Renners Grundstück. Kurz vor der Abzweigung bremste er, riss dann das Steuer herum und lenkte den Jeep in die lange, holprige Zufahrt.
    Der gute Doktor schien noch auf den Beinen zu sein, denn aus den Fenstern im Erdgeschoss schimmerte warmes Licht. Der Anblick des Hauses rief bei Cole gemischte Gefühle hervor. Hier war er Eve zum ersten Mal begegnet – ein vielversprechender Anfang, doch dann hatte alles so übel geendet.
    Cole stellte den Wagen neben der Garage ab, stieg die vertraute Treppe zur Hintertür hinauf und klopfte an. Grillen zirpten laut, ein Nachtfalter flatterte vor dem

Weitere Kostenlose Bücher