Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
Schritte.
Was zum Teufel war da los?
Er hob den Kopf und blickte über den Rand seiner Lesebrille hinweg, wobei ihm die Zeitung vom Schoß glitt. Das Zimmer schien sich sanft zu drehen, und er blinzelte mehrmals in rascher Folge. Sein Schlummertrunk war ihm schwer zu Kopf gestiegen, stärker als sonst. Als er sich aus dem Sessel hochstemmte, schwankte er. Seine Beine versagten ihm den Dienst.
»Verdammter Mist«, knurrte er, als er in das zerschlissene Polster seines Lieblingssessels zurückfiel. »Verdammte …«
Da war es wieder: das vertraute Knarren der Bodendielen, das immer zu hören war, wenn jemand über den Flur zur Küche ging.
Aber er war doch allein im Haus.
Oder?
Seine Nackenhaare sträubten sich.
Waren die Mistkerle, die sein Handy gestohlen hatten, zurückgekommen?
»Hallo?«, rief er ein wenig nervös. Dabei kam er sich selbst albern vor. Schließlich war außer ihm kein Mensch im Haus.
Er lauschte angestrengt, mühte sich ab, sich aus dem Sessel hochzustemmen, doch seine Arme gehorchten ihm ebenso wenig wie seine Beine. Hatte er womöglich einen Schlaganfall erlitten?
Wieder die Schritte. Diesmal schwerer.
Sein Herz setzte einen Schlag aus.
»Ist da jemand?«, fragte er und höre selbst die Panik in seiner lallenden Stimme. »Inez?« Er rief den Namen seiner Haushälterin, obwohl sie erst in ein paar Tagen wieder herkommen würde. »Franco?« Doch der Farmhelfer, der für ihn arbeitete, war bereits vor Stunden nach Hause gegangen. Zum ersten Mal in seinem Leben fühlte er sich isoliert in seinem Haus.
Noch einmal versuchte er sich aufzurichten. Seine Arme zitterten vor Anstrengung, seine Knie waren weich.
Wieder sank er hilflos zurück in das Polster.
Keine Panik. Du bildest dir das alles nur ein. Die Drinks sind dir stärker als sonst zu Kopf gestiegen, das ist alles.
Steh auf, verdammt noch mal. Steh auf!
»Dr. Renner.« Vom dunklen Flur hinter den Fenstertüren her rief eine tiefe Männerstimme seinen Namen.
Er riss die Augen auf, dann warf er sich aus dem Sessel nach vorn in Richtung des Telefons und stieß dabei seinen Drink um.
Eiswürfel kullerten über den Holzfußboden.
Schmerz durchfuhr seinen Körper.
Er zwang sich vorwärts, entschlossen, das Telefon zu erreichen, selbst wenn er auf allen vieren hinkriechen musste. Aber seine Arme trugen ihn nicht. Seine Beine versagten den Dienst. Er lag bäuchlings auf dem Boden – und dann veränderte sich das Licht, die Glastür wurde geöffnet, ein Schatten erstreckte sich vor ihm, und er blickte auf ein Paar klobige Armeestiefel.
Beinahe verlor er die Kontrolle über seine Blase, als er langsam den Blick hob, immer weiter, über muskulöse Beine in einer Tarnhose, weiter hinauf zu einer Jacke aus dem gleichen Stoff, die über einem massigen Brustkorb spannte. Aus dem Kragen ragte ein dicker Hals, das Gesicht war unter einer Skimütze verborgen.
Erschreckend blaue Augen starrten auf ihn herab.
»Wer sind Sie? … Was wollen Sie? Ich habe Geld … im Safe …« Renners Stimme wurde immer höher, gepresster, Panik schnürte ihm die Kehle zu und raubte ihm den Atem.
»Geld.« Der Eindringling spie das Wort geradezu aus. Seine behandschuhten Hände bewegten sich.
Renner sah das Messer – ein langes, gefährlich aussehendes Jagdmesser, dessen Klinge im Feuerschein glänzte.
Entsetzen packte ihn. »Nein«, flüsterte er. »Bitte … ich flehe Sie an …«
»Vergeltung«, flüsterte der große Mann mit einer Stimme, die wie ein Peitschenhieb die Luft durchschnitt.
»Nein … bitte … Ich weiß nicht, wer Sie sind … und was Sie von mir wollen … Aber Sie machen einen Fehler.«
»Nein, Doktor, das ist kein Fehler.«
Angst schüttelte ihn. Er versuchte kriechend zu flüchten, doch sein Körper … Himmel! Schlagartig wurde ihm klar: Der Kerl hatte ihm Drogen verabreicht. Es lag nicht am Alkohol …
Der Angreifer holte aus, war im nächsten Moment über ihm.
Eine große Hand drückte gegen seine Stirn, bis sein Hals so weit nach hinten durchgebogen war, dass Renner glaubte, es müsse ihm das Genick brechen. »Nein!«, keuchte er.
In einem letzten grausigen Moment sah er das Messer in der schwarz behandschuhten Hand.
Es zuckte durch sein Blickfeld.
Herr im Himmel, dieser Wahnsinnige wollte ihm die Kehle durchschneiden!
Er spürte die Spitze der Klinge seitlich am Hals.
»Ich bin der Retter«, flüsterte der Angreifer dicht an seinem Ohr. »Ich entscheide, wer lebt, wer stirbt. Wer gerettet
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