Cry - Meine Rache Ist Dein Tod
Brieföffner. Er griff danach.
Raus! Raus hier! Sofort!
Er lauschte angestrengt, hörte jedoch nichts als das Ticken einer alten Uhr im Eingangsbereich, leise Musik aus einem Radio auf dem Schreibtisch und das Pochen seines eigenen Herzens. Keine hastigen Schritte. Kein Atem außer seinem eigenen.
Das Haus schien still und verlassen.
Nicht einmal der Hund war zu hören.
Worauf wartest du noch? Raus hier!
Panik überfiel ihn.
Jemand hat dir eine Falle gestellt, Cole. Das hier ist kein Zufall, verdammt. Irgendein wahnsinniger Scheißkerl hat es auf dich abgesehen.
Warum?
Wer?
Und was hatte Terrence Renner damit zu tun, weshalb war er ermordet worden?
Cole fand das Telefon und wählte die Notrufnummer. Beim zweiten Klingeln meldete sich eine Stimme: »Sie haben den Notruf gewählt. Um welche Art von …«
»Jemand ist ermordet worden«, fiel Cole dem Mann ins Wort. »Terrence Renner. Er wurde in seinem Haus umgebracht …« Er musste kurz überlegen, bevor er die Adresse nannte.
»Sir? Fehlt Ihnen was?«
»Nein. Aber Renner. Er ist tot.«
»Ihr Name bitte?«
Cole beendete das Gespräch.
Er musste von hier verschwinden, und zwar schnell. Bevor die Polizei eintraf. Er hatte schon genügend Probleme … Sie würden natürlich herausfinden, dass er am Tatort gewesen war, aber zunächst einmal brauchte er Zeit zum Nachdenken.
Er bemerkte Renners Laptop auf dem Schreibtisch, nahm ihn an sich und riss den Stecker aus der Buchse. Kurz entschlossen schob er das flache Gehäuse in die Aktentasche, die offen auf dem kleinen Zweiersofa vor dem Kamin stand.
Etwas vom Schauplatz des Mordes zu entfernen, war eine Straftat, doch das kümmerte ihn in diesem Moment nicht. Renners Mörder hatte ihn mit voller Absicht an den Tatort gelockt. Vielleicht würde er in Renners Aufzeichnungen einen Hinweis darauf entdecken, was es mit all dem auf sich hatte. Vielleicht auch nicht, doch er durfte sich die Chance nicht entgehen lassen.
Von Angst und Adrenalin angetrieben, machte er sich daran, seine Spuren zu beseitigen. Wenn er hier oder in der Nähe des Hauses erwischt wurde, würde man ihn wieder in Untersuchungshaft stecken.
Das Telefon klingelte. Cole fuhr heftig zusammen – das war die Polizei! Der Kerl von der Leitstelle rief zurück!
Hastig wischte Cole alles ab, was er angefasst hatte, und bemühte sich auch, etwaige Fußabdrücke auf dem Boden zu beseitigen. In der Ferne gellten bereits Sirenen. Er hastete aus dem Haus, wischte auch die Türklinke ab, dann sprang er von der hinteren Veranda auf den Rasen, rannte zu seinem Jeep und warf die Aktentasche hinein.
So schnell, wie er es wagte, setzte er rückwärts aus der Zufahrt. Auf der Landstraße angekommen, schlug er die Richtung ein, die von der Kleinstadt wegführte, und trat aufs Gas. Dabei achtete er jedoch darauf, das Tempolimit einzuhalten. Die Angst hatte ihn gepackt, aber er zwang sich zur Ruhe. Er musste die Angelegenheit nüchtern und sachlich betrachten, musste denken wie ein Verteidiger, nicht wie einer seiner Klienten.
Sein Anruf war aufgezeichnet worden. Die Polizei würde früher oder später seine Stimme identifizieren und ihn zur Vernehmung laden. Er würde sich ihnen stellen müssen. Aber nicht heute Nacht. Erst musste er selbst ein paar Antworten auf seine Fragen finden. Im Gefängnis hatte er sich geschworen, herauszufinden, was in der Nacht, als Roy Kajak starb, wirklich geschehen war. Er konnte nicht zulassen, dass der Mord an Roy unaufgeklärt und er der einzige ernsthaft Verdächtige blieb. Und jetzt würde er womöglich auch noch in Verdacht geraten, Renner getötet zu haben!
Denk nach,
befahl er sich selbst.
Überleg dir, wie es jetzt weitergeht.
Das Wichtigste zuerst: Er brauchte ein Versteck – nicht mehr nur für das Geld, sondern auch für Renners Laptop. Er wusste einen perfekten Ort dafür: Eves Haus. Es stand leer, schon seit Monaten.
Und, so sagte er sich, falls die Polizei Eves Haus durchsuchte und den Computer ihres Vaters fand, würde das kaum Verdacht erregen. Cole würde auch sein Geld dort verstecken. Kein Mensch würde es jemals mit ihm in Verbindung bringen.
Als er wieder auf den Freeway auffuhr, sah er durch schwachen Nebel hindurch in der Ferne den vertrauten Lichtschein von New Orleans.
Was ist mit Eve? Du musst sie benachrichtigen. Sie hat ein Recht darauf, zu erfahren, dass ihr Vater umgebracht wurde.
Er verzog das Gesicht, als er an die Folgen dachte.
Überlass es der Polizei. Wenn du es ihr sagst,
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