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Cry - Meine Rache Ist Dein Tod

Cry - Meine Rache Ist Dein Tod

Titel: Cry - Meine Rache Ist Dein Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
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klingelte das Telefon, und im Display wurde dieselbe Nummer angezeigt wie zuvor. Eve ließ es klingeln, bis der Anrufbeantworter ansprang. Das Letzte, was sie an diesem Tag brauchen konnte, war Medienrummel. Davon hatte sie fürs Leben genug.
    Und sie war nicht bereit, sich mit dem Mord an ihrem Vater zu beschäftigen.
    Noch nicht.
    Der Kaffee duftete zwar verlockend, schmeckte jedoch ohne Sahne ein wenig bitter. Eve trank ihn trotzdem und las dabei noch einmal die Artikel über Faith Chastain und die Klinik Our Lady of Virtues. Bei Licht besehen wirkten sie nicht mehr gar so bedrohlich, sondern beinahe kindisch mit den perfekt gezackten Rändern. Was sollte das? Und warum hatte man ihr diese Artikel überhaupt zugespielt? Warum, warum, warum?
    Sie setzte sich an den Tisch und studierte eingehend jeden einzelnen Zeitungsausschnitt. Faith Chastain … Eve hielt ein körniges Foto einer schönen Frau mit gehetztem Blick in der Hand. Hatte sie dieses Gesicht schon einmal gesehen? In den Artikeln wurde berichtet, dass Faith Chastain immer wieder für eine Weile in die Anstalt Our Lady of Virtues eingewiesen worden war, jedoch zu der Zeit, als Eve ein Kind war, einen längeren Aufenthalt dort hatte. Und vor zwanzig Jahren war sie ermordet worden … kurz bevor Eves Mutter starb. Eve selbst war damals ungefähr fünfzehn Jahre alt gewesen.
    Sie breitete die Schnipsel vor sich aus und versuchte, eine gewisse Ordnung hineinzubringen. Dabei wanderten ihre Gedanken zurück zum Our Lady of Virtues. Ein unheimlicher und faszinierender Ort für ein neugieriges Kind. Zwar hatte man sie immer ermahnt, sich an die Hauptflure und das Büro ihres Vaters im Erdgeschoss zu halten, doch im Laufe der Jahre hatte sie trotz aller Verbote das gesamte Backsteingebäude erforscht, vom Keller mit seinen kalten Kachelwänden und glänzenden Geräten bis zu dem staubigen Dachboden, auf dem überflüssige und beschädigte Möbel sowie Akten aufbewahrt wurden. Nur zu gern hatte sie sich in diesen vergessenen Raum unter den Dachbalken geschlichen.
    Im Our Lady of Virtues hatte sie auch Roy kennengelernt … Damals waren sie beide etwa zehn Jahre alt gewesen und hatten nichts als Unsinn im Kopf. Roy war der Sohn des Hausmeisters, und sie verstanden sich auf Anhieb, zwei normale Kinder in einer bizarren Welt von Geisteskrankheit, Wahnvorstellungen und Schmerz. Meist hatten sie draußen gespielt, in den Wäldern und Wiesen der Umgebung, doch bei schlechtem Wetter blieben sie auf dem Klinikgelände. Zwar waren sowohl das Kloster als auch das Krankenhaus offiziell tabu für die Kinder, aber sie verstanden es, die Regeln zu umgehen.
    Für sie beide war es ein Spiel gewesen, durch die stillen Flure zu schleichen, die Wirtschaftstreppe hinauf, und dabei den ewig raschelnden Röcken der streng blickenden Schwester Rebecca auszuweichen. Wie oft hatte Eve sich in der Wäschekammer versteckt, hatte hinausgespäht und das Kreuz an dem schweren Rosenkranz gesehen, den Schwester Rebecca am Gürtel trug, die gestärkte Tracht und die verkniffenen Lippen der schlanken, blonden Ordensschwester, die stets tüchtig ihre Arbeit tat, dabei jedoch immer ein wenig resigniert wirkte – wie war noch ihr Name? Schwester … Suzanne, ja, genau. Eve dachte an den alten Song mit dem Titel Suzanne, den sie auf dem Kassettenrekorder ihrer Mutter gehört hatte. Roy hatte ihn leise gepfiffen und nur den Refrain gesungen: »And you want to travel with her, and you want to travel blind … but you know that she’s half crazy …«
    Sie kamen sich so witzig vor, so schlau, so raffiniert, wenn sie Kekse und Äpfel aus der Küche klauten und hinauf auf den Dachboden schmuggelten, wo sie sich aus alten Möbeln und Vorhängen ein Versteck gebaut hatten.
    Eve erinnerte sich an den trüben Tag, als Roy sie auf den Dachboden geführt hatte. Sie hatte ihm versprechen müssen, nichts zu verraten, und dann hatte er ihr eine Reihe Löcher im Boden gezeigt, durch die Licht aus den darunterliegenden Zimmern drang. »Gucklöcher«, hatte er gesagt, und sie hatten so manchen Nachmittag damit verbracht, durch diese Löcher in die Zimmer der Patienten und die Flure zu spähen.
    Eve hatte ein schlechtes Gewissen dabei, es behagte ihr nicht recht, die Privatsphäre anderer Menschen zu verletzen, aber sie tat es dennoch.
    War eine der Personen, die sie damals heimlich beobachtet hatte, Faith Chastain gewesen? Oder was sonst hatte es mit all diesen Artikeln über die Frau auf sich?
    Die

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