Cryer's Cross
ihn nicht im Geringsten. Der beste Junge der Welt? Für Kendall schon. Sie lächelt ihn breit an, als sie ihm den Stundenplan weiterreicht.
Beim Mittagessen teilen sich Kendall und Nico die Sandwiches, wie sie es seit dem Kindergarten tun – außer wenn Nico Thunfischsandwiches dabeihat, denn die kann sie nicht ausstehen. Sie sitzen im Gras, essen und unterhalten sich über mögliche Colleges und darüber, wie schlimm es sein wird, wenn sie getrennt sind.
Nach der Schule gehen Kendall und Nico zum Fußballtraining. Fußball wird hier von Mädchen und Jungen zusammen gespielt, und alle Altersgruppen sind gemischt, denn für ein Mädchenteam gibt es nicht genügend Mädchen an der Highschool von Cryer’s Cross, und es wollen auch nicht genügend Schüler Fußball spielen, um eine Jugendmannschaft zu bilden. Kendall ist die Einzige, die dabeibleibt. Und sie ist besser als die meisten Jungs.
Als sie mit ihren Dehnübungen fertig ist, kommt Jacián auf das Spielfeld. Er trägt Nike-Fußballkleidung, als würde die Firma ihn sponsern. Kendall joggt auf ihre Position, ein Gummiband zwischen den Zähnen, um ihre Haare zu einem Pferdeschwanz zu binden, während sie ihn beobachtet. Sie erkennt sofort, dass er sportlich ist. Sie sagt sich in Gedanken seinen Namen vor, um nicht zu vergessen, wie er ausgesprochen wird. Es gibt nicht viele Jaciáns in der Gegend.
Einen Augenblick später kommt Marlena zum Trainieren, in weniger auffälliger Sportkleidung. Als sie Jacián sieht, läuft sie auf ihn zu.
Kendall starrt sie an.
»Spielen sie etwa beide?«, fragt sie Nico leise.
»Sieht so aus.« Nico nimmt einen Ball aus dem Netz und lässt ihn auf dem Boden vor Kendall aufspringen, die ihn mit dem Fuß einfängt und automatisch von den anderen wegdribbelt.
»Na, wir können auf jeden Fall noch Spieler im Team gebrauchen.«
Sie spielen den Ball hin und her. Kendall muss an die vier Mannschaftsmitglieder denken, die das Team nach ihrem Abschluss im letzten Schuljahr verlassen haben.
»Ja, wir könnten echt noch ein paar Spieler gebrauchen, denn nur einer der Neuntklässler will mitmachen, soweit ich weiß. Und das neue Mädchen. Ich nehme an, der Trainer nimmt jeden, der irgendwie laufen kann. Aber wir sind immer noch zu wenige. Wie viele genau, Nummerngirl?«
»Acht«, antwortet Kendall automatisch.
»Autsch.« Er kratzt sich am Kopf. »Ich hoffe, unser Trainer kann noch ein paar Leute rekrutieren, ansonsten ist das der reinste Selbstmord, wenn wir gegen eine komplette Mannschaft spielen.«
Kendall blinzelt und zuckt dann mit den Schultern. »Wir sind nicht das einzige Team, das zu wenige Leute hat. Und wir kommen mit acht aus. Obwohl es natürlich toll wäre, gegen die Bozeman-Teams mit einer vollzähligen Elfer-Mannschaft zu spielen.« Sie sieht den Obregons beim Dehnen zu und freut sich darauf, gleich zu erfahren, was sie draufhaben. »Weißt du, es ist wirklich nett, noch ein Mädchen dabeizuhaben«, meint sie schließlich. »Jacián allerdings … Na ja, es macht wahrscheinlich keinen Unterschied.«
Als Jacián bei einem Gerangel während des Vier-gegen-vier-Trainings Kendall über den Haufen rennt und sie keuchend am Boden liegt, stellt sie allerdings fest, dass es sehr wohl einen Unterschied macht.
»Blödmann«, beschwert sie sich, als sie wieder atmen kann. »Trainer! He, das war ein Foul!« Sie steht auf und rennt los, um ihr Tor zu schützen, aber es ist zu spät. Jacián erzielt ein Tor gegen ihr Team.
3
Nach dem Training folgt Kendall Marlena in die winzige Umkleide der Mädchen, die eher ein an das Schulhaus angebauter Schuppen ist.
»Ihr zwei seid gut«, bemerkt Kendall.
Marlena lächelt. »Danke. Jacián ist gut. Bei mir geht es so.« Ihre Stimme klingt warm und herzlich.
»Du bist um einiges besser als Brandon«, stellt Kendall großzügig fest.
»Welcher ist das?«
»Der unreife Zwölftklässler mit den hellbraunen Haaren. Ziemlich groß und dämlich, ungefähr so.« Sie hält die Hand etwa einen Meter fünfundachtzig hoch. »Sitzt in der Schule hinter mir. Ich bin sicher, du weißt, wen ich meine. Der Typ, der während des ganzen Trainingsspiels nicht ein Mal den Ball bekommen hat, sich aber umso öfter hingelegt hat.«
»Ja«, sagt Marlena grinsend, »ich glaube, ich weiß, wen du meinst.«
Sie ziehen die Sportsachen aus. Es gibt keine Duschen in dem Schuppen, aber immerhin ein Waschbecken, an dem sie sich etwas frisch machen. Anschließend benutzen sie Deo und ziehen ihre Alltagskleidung
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