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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Soweit ich weiß, kennt sich aber keiner von uns auch nur ansatzweise im Verlegen von Tiefseekabeln aus. Was nützen dir unsere Lebensläufe, wenn du vor ein paar Risikokapitalgebern stehst?«
    Avi nickt. »Alles, was du sagst, ist richtig«, räumt er gelassen ein. »Wir müssten verrückt sein, wenn wir uns daran machen wollten, Kabel durch die Philippinen zu verlegen. Das ist ein Job für FiliTel, mit denen Epiphyte(1) ein Joint Venture gegründet hat.«
    »Selbst wenn wir verrückt wären«, sagt Beryl, »hätten wir gar nicht die Möglichkeit, denn niemand würde uns das Geld geben.«
    »Zum Glück brauchen wir uns darüber keine Gedanken zu machen«, sagt Avi, »denn das wird für uns erledigt.« Er dreht sich zu der Tafel um, nimmt einen roten Markierstift und zieht einen dicken Strich zwischen Taiwan und Luzon, wobei seine Hände von dem dunkel getönten Relief des Meeresbodens, das auf seine Haut projiziert ist, ein lepröses, geflecktes Aussehen bekommen. »KDD, die von einem bedeutenden Wachstum auf den Philippinen ausgehen, verlegen hier bereits ein anderes dickes Kabel.« Er bewegt seine Hand nach unten und fängt an, kleinere, kürzere Verbindungen zwischen Inseln im Archipel zu ziehen. »Und FiliTel ist dabei, finanziert von AVCLA – Asia Venture Capital Los Angeles -, die Philippinen zu verkabeln.«
    »Und was hat Epiphyte(1) damit zu tun?« fragt Tom Howard.
    »Je mehr sie dieses Netzwerk für den Internet-Protokoll-Verkehr nutzen wollen, umso mehr Router und Netzwerk-Know-how brauchen sie«, erklärt Randy.
    »Um nun meine Frage zu wiederholen: Warum sind wir hier?«, sagt Eberhard geduldig, aber bestimmt.
    Avi ist noch eine Weile mit seinem Stift beschäftigt. Er umkringelt eine Insel an einer Ecke der Sulusee, genau in der Mitte der Lücke zwischen Nord-Borneo und der langen, schmalen philippinischen Insel namens Palawan. Er beschriftet sie in Blockbuchstaben: SULTANAT KINAKUTA.
    »Kinakuta wurde eine Zeit lang von weißen Sultanen regiert. Das ist eine lange Geschichte. Dann wurde es eine deutsche Kolonie«, sagt Avi. »Borneo gehörte damals zu den niederländischen Kolonien in Ostindien, und Palawan war – wie der Rest der Philippinen – erst spanisch und dann amerikanisch. Damit hatten die Deutschen einen Fuß in der Region.«
    »Die Deutschen hatten am Ende immer die beschissensten Kolonien«, sagt Eb in kläglichem Ton.
    »Nach dem Ersten Weltkrieg übergaben sie sie zusammen mit einer Menge anderer Inseln, die viel weiter im Osten liegen, den Japanern. Alle diese Inseln fasste man unter der Bezeichnung ›Mandatsgebiete‹ zusammen, da Japan sie unter einem Völkerbundmandat verwaltete. Während des Zweiten Weltkriegs benutzten die Japaner Kinakuta als Basis für Angriffe auf Niederländisch-Ostindien und die Philippinen. Sie hatten dort einen Flottenstützpunkt und einen Flugplatz. Nach dem Krieg wurde Kinakuta unabhängig, wie vor der Übernahme durch die Deutschen. An den Rändern ist die Bevölkerung muslimisch oder der chinesischen Volksgruppe zugehörig, im Zentrum animistisch, und sie wurde immer von einem Sultan regiert – sogar während der Besetzung durch die Deutschen und die Japaner, die beide die Sultane kooptierten, aber immerhin als Aushängeschilder in ihrem Amt beließen. Kinakuta verfügte über Ölreserven, die allerdings unerreichbar waren, bis die Technologie sich verbessert hatte und, etwa zur Zeit des arabischen Ölembargos, die Preise stiegen; damals kam auch der jetzige Sultan an die Macht. Dieser Sultan ist jetzt ein sehr reicher Mann – nicht so reich wie der Sultan von Brunei, der zufällig sein Cousin zweiten Grades ist, aber reich.«
    »Unterstützt der Sultan deine Firma?«, fragt Beryl.
    »Nicht so, wie du meinst«, antwortet Avi.
    »Wie sonst?«, fragt Tom Howard ungeduldig.
    »Ich will es mal so ausdrücken«, sagt Avi. »Kinakuta ist Mitglied der Vereinten Nationen. Es ist ein ebenso unabhängiges Land und vollwertiges Mitglied der Staatengemeinschaft wie Frankreich oder England. Aufgrund seines Ölreichtums ist es sogar außergewöhnlich unabhängig. Genau genommen ist es eine Monarchie – der Sultan erlässt die Gesetze, aber erst nach eingehender Beratung mit seinen Ministern, die die Politik bestimmen und die Gesetze entwerfen. Und ich habe kürzlich viel Zeit mit dem Post- und Telekommunikationsminister verbracht. Ich habe dem Minister geholfen, ein neues Gesetz zu entwerfen, das jeglichen Telekommunikationsverkehr durch das Hoheitsgebiet von

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