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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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Informationen so schnell lesen, d. h. das Lochmuster in dem Band in elektrische Impulse umwandeln kann.
    Aber was soll das Ganze, wenn die Impulse nirgendwohin können? Kein menschlicher Verstand könnte einen Zeichenstrom erfassen, der mit solcher Geschwindigkeit daherkommt. Und es gibt, soviel Waterhouse weiß, schon gar keinen Fernschreiber, der ihn drucken könnte.
    Das Ganze ist nur sinnvoll, wenn sie eine Maschine konstruieren. Irgendeinen mechanischen Rechner, der die Daten aufnehmen und dann etwas damit tun – irgendwelche Berechnungen damit anstellen – kann, vermutlich Berechnungen, wie sie beim Codeknacken erforderlich werden.
    Dann fällt ihm das Gestell wieder ein, das er in der Ecke gesehen hat, die vielen Reihen genau gleicher grauer Zylinder. Von vorn betrachtet, haben sie wie eine Art Munition ausgesehen. Aber dafür sind sie zu glatt und glänzend. Die Zylinder, so geht Waterhouse auf, bestehen aus geblasenem Glas.
    Es sind Vakuumröhren. Hunderte davon. Mehr Röhren, als Waterhouse je auf einem Fleck gesehen hat.
    Die Männer in dem Raum bauen eine Turing-Maschine!
     
     
     
    Kein Wunder also, dass die Männer in dem Raum es so gelassen hinnehmen, dass das Band verbrennt. Der Papierstreifen, eine Technologie so alt wie die Pyramiden, ist lediglich ein Vehikel für einen Informationsstrom. Wenn er durch die Maschine läuft, werden die Informationen daraus entnommen und in ein Muster aus rein binären Daten umgewandelt. Dass das bloße Vehikel verbrennt, ist ohne jede Bedeutung. Asche zu Asche, Staub zu Staub – die Daten sind aus der physischen auf die mathematische Ebene gelangt, in ein höheres und reineres Universum, in dem andere Gesetze gelten. Gesetze, die Dr. Alan Mathison Turing, Dr. John von Neumann, Dr. Rudolf von Hacklheber und ein paar anderen Leuten, mit denen sich Waterhouse in Princeton herumgetrieben hat, zu einem geringen Teil verschwommen und unvollständig bekannt sind. Gesetze, von denen auch Waterhouse das eine oder andere weiß.
    Sobald man die Daten in das Reich der reinen Information überführt hat, braucht man nur noch ein Werkzeug. Zimmerleute arbeiten mit Holz und haben eine Kiste mit Geräten, um es zu messen, zu schneiden, zu glätten, zusammenzufügen. Mathematiker arbeiten mit Informationen und brauchen ihr eigenes Werkzeug.
    Seit Jahren schon bauen sie diese Werkzeuge, eins nach dem anderen. So gibt es, um nur ein Beispiel zu nennen, einen Registrierkassen- und Schreibmaschinenhersteller mit Namen Electrical Till Corporation, der ein prima Lochkartengerät zur Tabellarisierung großer Datenmengen baut. Waterhouses Professor in Iowa hatte es satt, eine Differentialgleichung nach der anderen zu lösen, und erfand eine Maschine, die deren Lösung automatisierte, indem er die Informationen auf einer mit Kondensatoren bestückten Trommel speicherte und einen bestimmten Algorithmus durchkurbelte. Genügend Zeit und Vakuumröhren vorausgesetzt, ließe sich ein Werkzeug erfinden, mit dem man eine Zahlenreihe addieren, ein anderes, mit dem man Inventare verwalten, und ein drittes, mit dem man Wortlisten alphabetisch ordnen könnte. Ein gut ausgestattetes Unternehmen hätte von jedem eines: schimmernde, gusseiserne Monstren mit aus dem Kühlergrill wabernden Hitzewellen, geziert von Firmenemblemen wie ETC, Siemens und Hollerith, würde jedes seine hochspezielle Aufgabe erfüllen. So wie ein Zimmermann eine Gehrlade, einen Grathobel und einen Klauenhammer in seiner Kiste hat.
    Turing hat etwas ganz anderes, etwas unbeschreiblich Seltsames und Radikales herausgefunden.
    Er hat herausgefunden, dass Mathematiker im Gegensatz zu Zimmerleuten nur ein einziges Werkzeug in ihrer Kiste haben müssen, wenn es denn das richtige Werkzeug ist. Turing hat erkannt, dass es möglich sein müsste, eine Metamaschine zu bauen, die sich dergestalt rekonfigurieren lässt, dass sie alles nur Denkbare leistet, was man mit Informationen leisten kann. Es wäre ein proteisches Gerät, das sich in jedes Werkzeug verwandeln könnte, für das man je Bedarf hätte. Vergleichbar einer Orgelpfeife, die sich jedes Mal, wenn man die Koppeltaste betätigt, in ein anderes Instrument verwandelt.
    Die Einzelheiten lagen noch ein wenig im Dunkeln. Es handelte sich hier nicht um eine Bauanleitung für eine konkrete Maschine, sondern vielmehr um ein Gedankenexperiment, das Turing angestellt hatte, um ein abstraktes Rätsel aus der völlig praxisfernen Welt der reinen Logik zu lösen.Waterhouse weiß das sehr

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