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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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von Tauben. Direkt vor Lawrence steht ein aus der ersten Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts stammendes, hübsches kleines Bauernhaus aus roten Ziegeln, das einzige nicht scheußliche Bauwerk, das er bisher gesehen hat. Rechts von ihm befindet sich ein einstöckiges Gebäude. Aus diesem Gebäude dringen seltsame Informationen: der Fernschreiber-Geruch nach heißem Öl, aber keine Tippgeräusche, bloß ein hohes, mechanisches Winseln.
    Am Stallgebäude geht eine Tür auf und heraus kommt ein Mann, der eine sperrige, aber offenbar leichte Kiste mit einem Griff an der Oberseite trägt. Aus der Kiste dringen gurrende Geräusche und Waterhouse geht auf, dass sie Tauben enthält. Die in den Giebeln hausenden Tauben sind keine Wild- sondern Haustauben. Beförderer von Informationen, Stränge des Netzes von Bletchley Park.
    Er steuert das Gebäude an, das nach heißem Öl riecht, und schaut zu einem Fenster hinein. Mit Anbruch der Nacht beginnt Licht daraus hervorzusickern, das schwarzen deutschen Aufklärungsflugzeugen Informationen liefern würde, und so marschiert ein Hausmeister im Hof herum und knallt die schwarzen Läden zu.
    Ein paar Informationen bekommt Waterhouse aber doch zu Gesicht: Auf der anderen Seite des Fensters haben sich Männer um eine Maschine geschart. Die meisten tragen Zivilkleidung und sind schon zu lange zu beschäftigt, um sich groß mit Kämmen, Rasierern und Schuhwichse abzugeben. Die Männer sind ganz und gar auf ihre Arbeit konzentriert, die ausschließlich mit dieser Maschine zu tun hat. Die Maschine besteht aus einem großen Rahmen aus vierkantigem Stahlrohr, wie ein auf der Schmalseite stehendes Bettgestell. An verschiedenen Punkten dieses Rahmens sind knapp drei Zentimeter dicke Metalltrommeln mit dem Durchmesser von Tellern befestigt. Von Trommel zu Trommel hat man in verwirrend verschlungener Bahn Papierband gefädelt. Es sieht so aus, als müsste man mehrere Meter Band durch die Maschine fädeln.
    Einer der Männer hat an einem Keilriemen hantiert, der um eine der Trommeln herumläuft. Er tritt zurück und macht eine Handbewegung. Ein anderer Mann legt einen Schalter um, und die Trommeln beginnen sich alle gleichzeitig zu drehen. Das Band fängt an, durch das System zu sausen. In das Band gestanzte Löcher tragen Daten; nun verschwimmt alles zu einem grauen Strich und die Geschwindigkeit erzeugt die Illusion, das Band löse sich in einen Rauchfaden auf.
    Nein, es ist keine Illusion. Von den Trommeln kräuselt sich echter Rauch empor. Das Band läuft so rasch durch die Maschine, dass es vor den Augen von Waterhouse und den Männern im Raum Feuer fängt. Die jedoch betrachten es ruhig, als rauchte es auf eine ganz neue und interessante Weise.
    Wenn es auf der Welt eine Maschine gibt, die von einem derart schnell laufenden Band Informationen ablesen kann, so hat Waterhouse noch nie davon gehört.
    Der schwarze Fensterladen knallt zu. Gerade als er das tut, erhascht Waterhouse einen flüchtigen Blick von einem weiteren Gegenstand, der in einer Ecke des Raums steht: ein Stahlgestell, in dem in ordentlichen Reihen eine große Anzahl zylindrischer Objekte untergebracht sind.
    Zwei Motorradfahrer, die trotz der Dunkelheit mit ausgeschalteten Scheinwerfern fahren, kommen gleichzeitig durch den Hof. Waterhouse trabt eine Zeit lang hinter ihnen her, lässt den pittoresken alten Hof hinter sich und gelangt in die Welt der Baracken, der neuen, in den letzten ein, zwei Jahren hochgezogenen Bauten. Bei dem Wort »Baracke« denkt er an etwas Winziges, doch diese Baracken ähneln, zusammengenommen, eher dem neuen Pentagon, das das Kriegsministerium gegenüber von D.C. auf der anderen Seite des Flusses gebaut hat. Sie verkörpern ein schlichtes, von keinerlei ästhetischen oder gar menschlichen Erwägungen abgemildertes Platzbedürfnis.
    Waterhouse geht zu einer Kreuzung, an der die Motorradfahrer, wie er gehört zu haben glaubt, abgebogen sind, und bleibt, von Schutzmauern eingeschlossen, stehen. Einem Impuls folgend, erklettert er eine der Mauern und setzt sich auf die Krone. Die Aussicht von hier ist auch nicht besser. Er weiß, dass um ihn herum in diesen Baracken Tausende von Menschen bei der Arbeit sind, aber er sieht keinen davon und es gibt keine Wegweiser.
    Er versucht immer noch, hinter die Geschichte zu kommen, die er durch das Fenster beobachtet hat.
    Das Band ist so schnell gelaufen, dass es rauchte. Es so schnell laufen zu lassen ist nur dann sinnvoll, wenn die Maschine auch die

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