Cryptonomicon
Rückstoß, wurden heiß und schmutzig, bekamen irgendwann Ladehemmung. Mit anderen Worten, sie feuerten zwar Kugeln ab, aber das war für sie kein Pappenstiel, es setzte sie einer gewissen Belastung aus und dieser Belastung hielten sie nicht ewig stand. Die Vickers auf der Ladefläche des Lkw dagegen verhielt sich zu anderen Schusswaffen wie die Bandsäge zu anderen Sägen. Die Vickers war wassergekühlt. Das Scheißding hatte tatsächlich einen Kühler. Es hatte eine Infrastruktur, genau wie die Bandsäge, und eine ganze Mannschaft von Technikern, die daran herumbosselten. Doch sobald das verdammte Ding einmal in Gang war, konnte es tagelang ununterbrochen feuern, solange nur unentwegt Leute mit frischen Munitionsgurten angesaust kamen. Nachdem Private Mikulski mit der Vickers das Feuer eröffnet hatte, schossen auch einige andere Männer von Abteilung 2702, die unbedingt mitmischen und ihren Beitrag leisten wollten, mit ihren Gewehren aufs Geratewohl auf die Deutschen, aber sie kamen sich dabei so klein und kümmerlich vor, dass sie es bald sein ließen, einfach im Graben Deckung nahmen, sich eine Zigarette anzündeten und zusahen, wie der Kugelstrom der Vickers sich langsam durch die Straßensperre vorwärts fraß. Mikulski bestrich eine Zeit lang sämtliche deutschen Fahrzeuge, wobei er die Vickers hin und her schwenkte wie ein Mann, der mit einem Feuerlöscher gegen einen Brand vorgeht. Dann griff er einzelne Teile heraus, hinter denen er Leute vermutete, und konzentrierte sich ein Weilchen auf sie, bohrte Tunnel durch die Autowracks, bis er sehen konnte, was dahinter war, sägte die Fahrgestelle durch und zerlegte sie in zwei Teile. Er fällte ein gutes halbes Dutzend Bäume am Straßenrand, hinter denen er versteckte Deutsche vermutete, und mähte dann ungefähr einen halben Morgen Gras.
Bis dahin war deutlich geworden, dass sich einige Deutsche hinter eine sanfte Bodenwelle etwas abseits der Straße zurückgezogen hatten und von dort aus zurückschossen, und so schwenkte Mikulski die Mündung der Vickers in steilem Winkel nach oben und schoss den Kugelstrom himmelwärts, sodass die Geschosse wie Mörsergranaten auf der anderen Seite der Erhebung herabregneten. Er brauchte eine Weile, um den richtigen Winkel zu finden, doch dann verteilte er geduldig Kugeln über das ganze Feld, wie ein Mann, der seinen Rasen sprengt. Einer der SAS-Jungs führte sogar auf seinem Knie ein paar überschlägige Berechnungen durch und ermittelte, wie lange Mikulski damit fortfahren müsste, um sicherzustellen, dass Kugeln in der richtigen Dichte – sagen wir, zehn pro Quadratmeter – über das fragliche Gelände verteilt wurden. Als der Boden gründlich mit Bleikugeln eingesät war, wandte sich Mikulski wieder der Straßensperre zu und sorgte dafür, dass der quer gestellte Lkw in so kleine Stücke zerlegt wurde, dass man ihn von Hand zur Seite schieben konnte.
Dann endlich stellte er das Feuer ein. Shaftoe hatte das Gefühl, er müsste eine Eintragung in ein Logbuch vornehmen, wie es Kapitäne tun, wenn sie ein Kriegsschiff in den Hafen schleppen. Als sie an den Trümmern vorbeifuhren, bremsten sie kurz ab, um zu gaffen. Das spröde graue Eisen der Motorblocks der deutschen Fahrzeuge war wie Glas zersprungen und man konnte in die Motoren, die allesamt säuberlich quer durchschnitten waren, hineinschauen und die der Sonne ausgesetzten, schimmernden Kolben und Kurbelwellen sehen, wie sie Öl und Kühlmittel bluteten.
Sie fuhren durch die Reste der Straßensperre und weiter landeinwärts in ein dünn bevölkertes Gebiet, das ein ausgezeichnetes Übungsgelände für die deutsche Luftwaffe abgab. Die beiden ersten Kampfflugzeuge, die des Weges kamen, wurden von Mikulski und seiner Vickers in der Luft zerfetzt. Das nächste Paar schaffte es in einem einzigen Überflug, den Lkw, die Maschinenkanone und Private Mikulski zu vernichten. Niemand anders wurde verwundet; sie lagen alle im Graben und sahen zu, wie Mikulski gelassen hinter den Bedienungshebeln seiner Waffe saß, es auf eine Mutprobe mit zwei Messerschmitts ankommen ließ und schließlich den Kürzeren zog.
Mittlerweile wurde es dunkel. Die Abteilung marschierte zu Fuß querfeldein weiter, wobei man Mikulskis sterbliche Überreste auf einer Trage mitnahm. Sie stießen auf eine deutsche Patrouille und fochten es mit ihr aus; zwei von den SAS-Leuten wurden verwundet, einer davon musste den Rest des Weges getragen werden. Schließlich erreichten sie ihren Treffpunkt, ein
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