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Cryptonomicon

Cryptonomicon

Titel: Cryptonomicon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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konnten, bevor wir die Deutschen auf unsere Anwesenheit aufmerksam gemacht haben, und uns dann genau rechtzeitig mit dem Flugzeug treffen.«
    »Ja!«, sagte ein ganzer Haufen Engländer und Amerikaner unter heftigem Nicken.
    »Das ist eine gute Frage«, sagte Enoch Root. Er sagte es so, als wüsste er bereits die Antwort, sodass jeder auf dem Lkw Lust bekam, ihm eine zu knallen.
    Die Deutschen hatten ein paar Bodeneinheiten eingesetzt, um die Straßenkreuzungen in dem Gebiet zu sichern. Als Abteilung 2702 zu der ersten Kreuzung kam, waren sämtliche Deutschen dort frisch verstorben und der Lkw musste lediglich kurz abbremsen, damit ein paar Marine Raiders aus ihrem Versteck stürzen und aufspringen konnten.
    Die Deutschen an der zweiten Kreuzung hatten keine Ahnung, was eigentlich los war. Das lag offenbar an irgendeinem internen Chaos im Funkverkehr der Wehrmacht, das auch über Kultur- und Sprachgrenzen hinweg deutlich als solches erkennbar war. Abteilung 2702 konnte einfach unter der Plane hervor das Feuer eröffnen und sie zusammenschießen oder zumindest in Deckung scheuchen.
    Die nächsten Deutschen, denen sie über den Weg liefen, machten da nicht mit; sie hatten aus einem Lkw und zwei Personenwagen eine Straßensperre errichtet, standen dahinter und richteten Waffen auf die Entgegenkommenden. Wie es aussah, hatten sie nur Handfeuerwaffen. Inzwischen aber war die Vickers zusammengesetzt, kalibriert, feinabgestimmt, inspiziert und geladen worden. Die Plane flog zur Seite. Private Mikulski, ein verdrießlicher, vergrübelter, 250 Pfund schwerer polnisch-britischer SAS-Mann brachte die Vickers ungefähr zur gleichen Zeit zum Einsatz wie die Deutschen ihre Gewehre.
    Nun hatte Shaftoe auf der High School den berufsbildenden Zweig absolviert und von daher viel Werkunterricht gehabt. Deshalb verwendete er naturgemäß einen gewissen Teil seiner Zeit darauf, größere Holz- oder Metallstücke in kleinere zu zersägen. Im Werkraum standen für diesen Zweck zahlreiche Sägen unterschiedlicher Qualität zur Verfügung. Was mit einer Handsäge eine geradezu lachhaft schwere und Zeit raubende Arbeit wäre, ließ sich mit einer Motorsäge erledigen. Ebenso liefen kleinere Motorsägen bei bestimmten Schnitten und Materialien heiß und verklemmten sich, sodass man zu größeren Motorsägen greifen musste. Aber auch bei der größten Motorsäge im Werkraum hatte Shaftoe immer das Gefühl, er setze die Maschine einer Art Belastung aus. Sie wurde langsamer, wenn das Blatt mit dem Material in Kontakt kam, sie vibrierte, sie lief heiß, und wenn man das Material zu rasch hindurchschob, drohte sie zu verklemmen. Dann arbeitete Shaftoe eines Sommers in einer Sägemühle, wo es eine Bandsäge gab. Die Bandsäge, der Vorrat an Sägeblättern, die Ersatzteile, das Wartungszubehör, Spezialwerkzeuge und Bedienungsanleitungen nahmen einen ganzen Raum ein. Es war das einzige Werkzeug mit Infrastruktur, das er je gesehen hatte. Die Säge war so groß wie ein Auto. Die beiden Räder, die das Blatt antrieben, waren riesige, achtspeichige Monstren, die so aussahen, als stammten sie von ausgeschlachteten Dampflokomotiven. Die Sägeblätter mussten eigens hergestellt werden, indem man von einer dicken Rolle ungefähr eine Meile gezacktes Stahlband abrollte, abschnitt und die Enden sorgfältig zusammenschweißte, sodass eine Schleife entstand.Wenn man den Einschaltknopf betätigte, passierte zunächst einmal gar nichts, außer dass aus der Erde langsam eine Unterschallschwingung aufstieg, als näherte sich von weither ein Güterzug, und schließlich begann sich das Blatt zu bewegen und wurde langsam, aber unaufhaltsam schneller, bis die Zähne verschwammen und es zu einem Blitz aus reiner Höllenenergie wurde, der sich straff zwischen dem Tisch und der Maschinerie darüber spannte. Anekdoten über Unfälle mit der Bandsäge wurden mit gedämpfter Stimme erzählt und normalerweile nicht mit Anekdoten über andere Arbeitsunfälle vermischt. Das Bemerkenswerteste an der Bandsäge jedenfalls war, dass man alles mit ihr sägen konnte, und sie erledigte die Arbeit nicht nur leicht und locker, sondern ihr war überhaupt nicht anzumerken, dass sie etwas tat. Sie registrierte gar nicht, dass ein Mensch einen Riesenbrocken Zeug hindurchlaufen ließ. Sie wurde nie langsamer. Lief nie heiß.
    Shaftoes nachschulische Erfahrung hatte ihn gelehrt, dass Schusswaffen viel mit Sägen gemeinsam hatten. Schusswaffen feuerten Kugeln ab, aber sie hatten einen

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