Cubuyata - Die Rückkehr des Propheten (Science Fiction Thriller) (German Edition)
Kräfte auf Cubuyata dieses Bild aus protektionistischen Gründen bewusst aufgebaut hatten, um den vereinigenden Reformern innerhalb ihrer gespalteten Gesellschaft keinen Rückenwind von außen unter die Flügel zu blasen. Unzählige autoritäre Regime hatten dies in den letzten Jahrhunderten zu ihrem eigenen Schaden erfahren müssen. Er war erst den dritten Tag hier, aber zumindest das Stadtzentrum litt nicht unter Industrielärm und das Winterwetter war verhältnismäßig mild.
Er hatte sein Rührei fertig gegessen und gönnte sich eine zweite Runde am Buffet. Auf seinem Teller balancierte er zwei frische Brötchen, drei hauchdünne Scheiben kostbarer Schweinewurst und exotische Früchte, die er nicht zuzuordnen vermochte.
Nach dem Frühstück und der begleitenden Lektüre der Politikressorts aller drei großen Zeitungen - im Restaurant lagen sie stapelweise auf dem landesüblichen Billig-E-Paper aus - verstaute er seine Interviewutensilien, bestehend aus Stift, Notizbuch und PD in einer kleinen Tasche. Er stieg nach einem kurzen Marsch durch den Schnee einige hundert Meter vom Hotel entfernt in eines der Taxis vor einem abgewetzten Kongresshotel ein und nannte dem Fahrer die Kathedrale als Fahrtziel. Das Innere des Wagens roch nach billigem chinesischen Marihuana. Ein Geruch, den seine Nase seit seinem Aufenthalt in Großchina nicht mehr erfasst hatte. Der Fahrer bemerkte Christophers Gesichtsausdruck und lächelte ihn mit seinen wenigen verbliebenen Zähnen gequält an.
Die Menschenmengen auf den Straßen ähnelten der Szenerie des letzten Abends. Christopher bemerkte jedoch, dass mehr Menschen Plakate mit sich trugen. Sowohl Rothulaner als auch grün gekleidete Reformer hatten spontan ihrer Trauer in Parolen Ausdruck verliehen. Selbst jemandem, dem die Hintergründe des vorigen Tages unbekannt waren, musste die die Straßenränder säumenden, rastlosen, traurigen und wütenden Gesichter registrieren, die angestaute Emotionen verrieten.
Kurz vor dem Ziel bekam er von seinem auf der Hutablage des Taxis abgelegten PersonalDevice eine Warnung, dass ihnen seit der Abfahrt insgesamt fünf Wagen gefolgt waren. Christopher musste die App aus Versehen gestartet haben. Er drückte die Meldung nach kurzer Durchsicht der vom Device gespeicherten Fahrzeugfotos weg. Die Fahrt war zu kurz und hatte sie nahezu ausschließlich an einer vielbefahrenen Hauptstraße entlang geführt, fünf Fahrzeuge waren da eher überraschend wenig. False Positives, also fehlerhafte Identifikationen, waren bei dieser App leider häufig. Die Bezahlvariante bot laut Bewertungen bessere Ergebnisse, eine Anschaffung erschien Christopher aber zu teuer. Er aktivierte sie daher nur bei längeren und komplizierteren Strecken.
Bei Ankunft vor der Kathedrale bezahlte er den Taxifahrer, betrat durch einen ausgeschilderten Seiteneingang den Informationsraum und meldete sich an. Verschnörkelte Schnitzereien überzogen die Ränder, Ecken und Kanten der Vollholzwand und der Theke, hinter der eine hübsche junge Frau mit brünetten Haaren in einem formalen Kostüm und mit verweinten Augen stand. Vor ihr auf der Theke lag akkurat gestapeltes Informationsmaterial über die Kirche und Ihre Geschichte. Da Christopher warten musste, blätterte er in einem dünnen Heftchen mit der Aufschrift "Die Varlaskathedrale - Zeugnis unseres Glaubens".
Der Autor, Feng der Zweite, war laut der von Feng dem Dritten selbst verfassten Einleitung dessen Vater. Dieser beschrieb darin den mühevollen Aufbau der Kirche in den Fünfziger- und Sechzigerjahren gegen Widerstände der damaligen linksliberalen Regierung. Feng II nannte es "Hass gegen unseren Propheten", Christopher las daraus "Ablehnung gigantomanischer Prachtbauten". Die rothulanische Kirche musste schon in diesen jungen Jahren über reiche Gönner und prallgefüllte Kassen verfügt haben. Bei fehlender politischer Unterstützung konnte der Monumentalbau nur mit privaten Geldern erfolgt sein. Das Bauende war aber erst 2468, also sechs Jahre nach den erstmals von der rothulanischen Partei gewonnenen Wahlen. Christopher schlug über sein PersonalDevice in einer lokalen Enzyklopädie die Geschichte der rothulanischen Partei nach und erfuhr so, dass einige Monate nach Übernahme der Regierungsgeschäfte ein Referendum der Regierung die Körperschaft der Kirche sowie ihre Anhänger von jedweder Steuerlast befreite. In den folgenden Monaten hatte sich die Kirche mit diesem Alleinstellungsmerkmal vor neuen Gläubigen nicht
Weitere Kostenlose Bücher