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Cubuyata - Die Rückkehr des Propheten (Science Fiction Thriller) (German Edition)

Cubuyata - Die Rückkehr des Propheten (Science Fiction Thriller) (German Edition)

Titel: Cubuyata - Die Rückkehr des Propheten (Science Fiction Thriller) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Cloutier
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sich Jinglei nicht gemerkt hatte, war nach ihrem Geschmack etwas zu pessimistisch. Im Falle einer nachgewiesenen Schuld der Revolutionäre am Tode Varlas stufte sie die Gefahr von bürgerkriegsähnlichen Zuständen aber als realistisch ein.
    "Gab es noch weitere Vorkommnisse dieser Art?" Jinglei hatte den Morgen über keine Zeit gehabt, sich auf den neuesten Stand zu bringen.
    "Nichts Größeres, die eine oder andere Drängelei. Bislang griff die Polizei den Berichten nach aber sanft und unparteiisch ein."
    Das wird nicht so bleiben, dachte Jinglei. Wenn es darauf ankam, hatte sich die Polizei unter ihrem Präsidenten Xi noch immer mit aller Härte auf die Seite der Kirche geschlagen, stets gerechtfertigt durch den Schutz des Staates, den die Rothulpartei in der Regierung repräsentierte.
    "Heute Morgen debattierten wir in einer Vorlesung hitzig miteinander. Die meisten Studenten an der Uni sind guayun. Einige der Alphatiere nutzten die beiden Stunden Politikhistorie für Schmähkritik an der geschichtlichen Rolle der jayun an der Entwicklung Cubuyatas auf gesellschaftlicher, politischer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene. Das guayun schlecht über uns reden ist nichts neues, aber seit heute tun sie es öffentlich im Audimax. Der Professor griff nicht ein."
    Ein Gong erklang. Jinglei und die anderen versammelten sich in dem kleinen Zendo, der als letzter Raum an den langen Hauptgang grenzte. Sie nahmen Platz auf den akkurat neben- und hintereinander aufgereihten Sitzkissen, den Zafus, kreuzten ihre Beine im Lotussitz und hielten ihre Hände locker unterhalb des Bauchnabels. Erneut erklang der Gong, das Zeichen dafür, dass sich alle gedanklich leeren sollten. Wenige Minuten später schlich ein uralter, glatzköpfiger Mann zu dem einzigen Zafu, der den anderen bereits belegten Kissen gegenüber am Ende des Raums neben einem kleinen Buddhaschrein lag und setzte sich mit einer für sein Alter beeindruckenden Leichtigkeit mit verschränkten Beinen nieder. Der Gong ertönte erneut, der Teisho des Roshi, der Vortrag des Meisters, begann.
    Jinglei liebte die Friedlichkeit und Stille der Meditation. Sie schaffte als tragendstes Element der kulturellen Identität einen Zusammenhalt unter den jayun, der sie in ihrem häufig benachteiligten Dasein gegenüber den guayun unterstützte.
    Der Roshi namens Taitaru sprach in seinem Vortrag über einen alten Text von Dogen Zenji Roshi, der von der Einheit und Vielheit der Dinge handelte. Er stellte Verbindungen zur aktuellen Situation in der Stadt her. Die zahlreichen Schriften Taitarus genossen mit der Verknüpfung der großen Lehre mit dem tatsächlichen Alltag des Volkes hohes Ansehen in der großen buddhistischen Gemeinde Cubuyatas.
    Anschließend saßen alle Anwesenden für eine halbe Stunde Zazen. Jinglei bereitete das Fallenlassen von Körper und Geist minutenlange Probleme. Der Mord, Harmon, das spätere Treffen mit Makoto, all das erschien in der ausgeglichenen Konzentration klar vor ihrem geistigen Auge. Ohne Zwang begrüßte sie die einzelnen Impulse, folgte ihnen aber nicht. Mit der Zeit lösten sie sich von selbst auf. Nicht-Anhaften. Was ihr im Geist häufig gelang, fühlte sich im täglichen, weltlichen Leben unmöglich an. Ihren von ihr selbst als gesund eingestufter Ehrgeiz empfand sie dabei als ihr geringstes Problem. Ihre Suche nach Anerkennung, nach einer Referenz außerhalb ihrer selbst: Das begriff sie als ihre Achilles-Ferse. Diese nutzlose Energie, die sie für etwas aufbrachte, nur um ihr Ego zu füttern.
    Etwa zwanzig Minuten saß sie in gutem Zazen. Sie folgte dabei ihrem Atem, der kleinen Stütze gegen das Abschweifen und Gedanken-folgen. Als sie vor einigen Jahren mit Zazen begann, hatte sie noch gezählt. Eins, zwei, drei, vier. Bei jedem Ausatmen. Nach einem halben Jahr hatte sie auf eine den Intellekt weniger gefangennehmende Methode gewechselt: die reine Verfolgung des Atems. In den Dokusan, den Einzelgesprächen mit dem Roshi, hatte dieser sie vor einem halben Jahr ermutigt, nun auf die höchste Form des Zazen zu wechseln: Shikantaza. Nur sitzen. Keinerlei Stütze für den Intellekt, kein Krückstock für das Bewusstsein. Bloße Existenz. Körper und Geist fallen lassen, wie Dogen es beschrieb. Aber sie war noch nicht so weit. Länger als zehn Minuten schaffte sie es nicht ohne jede Stütze sich selbst zu vergessen.
    Der Klang des Gongs aktivierte sanft ihren Intellekt. Sie stand auf, verneigte sich kurz vor der Buddha-Statue und verließ den

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