Cugel der Schlaue
mysteriösesten Umständen meine unersetzlichen Träume von einem Räuber gestohlen, den nur Cugel gesehen hat, wie er behauptet.
Ich betone, daß die Träume, ob nun nah oder fern, Wunder von überragender Qualität sind. Eine eingehende Beschreibung genügt vielleicht …«
Herzog Orbal hob die Hand. »Ich muß Euch leider das gleiche sagen wie dem guten Bazaard. Eine unserer strikten Regeln bestimmt, daß weder imaginäre noch angebliche Wunder in dem Wettbewerb anerkannt werden dürfen. Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit, daß Ihr uns Eure Träume ein andermal vorführt. Und nun zu Cugels Pavillon. Laßt uns sein interessantes ›Nirgendwo‹ ergründen.«
Cugel stieg auf das Podest vor seinem Ausstellungsstück. »Euer Gnaden, ich biete Euch den Anblick eines wahrhaften Wunders: keine Parade unappetitlicher Schädlinge, auch kein pedantisches Buch, sondern ein echtes Wunder.« Er zog das Segeltuch zur Seite. »Seht!«
Der Herzog blinzelte verwirrt. »Ein Dreckhaufen? Ein Baumstumpf? Was ist dieses merkwürdige Ding, das aus dem Loch ragt?«
»Euer Gnaden, ich habe hier eine Öffnung in einen unbekannten Raum, mit dem Arm eines seiner Bewohner. Betrachtet diesen Tentakel! Er pulsiert mit dem Leben eines anderen Kosmos! Seht diesen goldenen Glanz des Armrückens, das Grün und Lavendel dieser Schuppen! Auf der Unterseite bemerkt Ihr gar drei Farben einer Art, wie wir sie gar nicht kennen!«
Unbeeindruckt zupfte sich Herzog Orbal am Kinn. »Das ist ja alles gut und schön, doch wo ist der Rest dieser Kreatur? Ihr führt uns hier kein Wunder, sondern nur einen Bruchteil davon vor! Nach lediglich einem Schwanz oder Hinterteil oder Rüssel, oder was immer dieses Gliedmaß sein mag, kann ich nicht urteilen. Außerdem behauptet Ihr, diese Öffnung führe in einen fernen Kosmos; ich jedoch sehe nichts als ein Loch, das nichts ähnlicher sieht als dem Bau eines Wysenkobolds.«
Iolo drängte sich vor. »Gestattet Ihr mir, meine Meinung zu äußern? Wenn ich mir die Sache so rechtüberlege, wächst meine Überzeugung, daß Cugel selbst es war, der mir den Beutel voller Träume stahl!«
»Eure Bemerkungen interessieren niemanden«, wies Cugel ihn zurecht. »Seid so gut und haltet den Mund, während ich meine Vorführung fortsetze.«
So leicht ließ Iolo sich den Mund nicht verbieten. Er wandte sich an Herzog Orbal und rief mit durchdringender Stimme: »Habt die Güte, mich anzuhören. Zweifellos ist der Räuber nicht mehr als eine Erfindung Cugels. Er stahl meine Träume und versteckte sie, und wo sonst, als in dem Loch! Als Beweis mache ich nur auf das Zwirnstück aufmerksam, das in das Loch hängt.«
Herzog Orbal betrachtete Cugel stirnrunzelnd. »Entsprechen diese Anschuldigungen der Wahrheit?
Antwortet wohlüberlegt, da alles nachgeprüft werden kann!«
Cugel wählte seine Worte mit Sorgfalt. »Ich kann nur sagen, was ich weiß. Natürlich könnte der Räuber Iolos Träume in dem Loch versteckt haben, während ich nicht darauf achtete. Doch zu welchem Zweck? Wer mag das schon sagen!«
Mit milder Stimme fragte Herzog Orbal nunmehr: »Hat schon jemand daran gedacht, dieses Loch nach dem verschwundenen Beutel voller Träume abzusuchen?«
Cugel zuckte gleichmütig die Schulter. »Meinetwegen soll Iolo hineinklettern und nach Herzenslust suchen.«
»Ihr erhebt Anspruch auf das Loch!« rief Iolo heftig. »Also ist es Eure Pflicht, die Allgemeinheit davor zu schützen!«
Mehrere Minuten herrschte ein erregtes Streitgespräch, bis Herzog Orbal sie unterbrach. »Beide Männer brachten ein paar überzeugende Punkte zur Sprache. Im großen und ganzen aber schließe ich mich der Meinung Iolos an. Ich bestimme deshalb, daß Cugel seine Räumlichkeiten nach den verschwundenen Träumen durchsucht und sie, wenn möglich, wieder zum Vorschein bringt!«
Cugel widersetzte sich dieser Entscheidung mit so heftigen Worten, daß Herzog Orbal unmißverständlich zum Hügelkamm blickte, worauf Cugel sofort seine Haltung änderte. »Euer Wort ist selbstverständlich Befehl, Euer Gnaden. Wenn es unbedingt sein muß, werde ich also nach Iolos Träumen Ausschau halten, obgleich seine Theorien absurd sind.«
»So fangt schon an!«
Cugel beschaffte sich eine lange Stange, an der er einen Greifhaken befestigte. Vorsichtig schob er dieses Werkzeug in das Loch und stocherte damit herum. Er erreichte jedoch bloß, daß sich der Tentakel aufbäumte und von Seite zu Seite warf.
Plötzlich rief Iolo aufgeregt: »Ich bemerke eine
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