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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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aufsuchte?
    Victor La Violette, ein untersetzter Mann mit Bauch, trug ein Hemd mit großen gelben Blumen und ausgebeulte Bermudashorts. Arme, Beine und Brust waren dicht behaart, nur am Kopf war er völlig kahl. Eine Zigarre hing ihm im Mund. In Birkenstocksandalen kam er schlurfend auf Théo zu, eine Mappe unter dem einen und eine Flasche Bacardi unter dem anderen Arm.
    »Ein bisschen Rum, um diese Brühe genießbar zu machen?«, murmelte La Violette augenzwinkernd.
    Bevor Théo antworten konnte, hatte der Önologe ihm schon eine großzügige Dosis Bacardi in den Tee gegossen und sich selbst das Doppelte, während sein Blick zu den Fenstern im ersten Stock ging. Er versteckte die Flasche unter dem Tisch.
    »Meine Frau«, flüsterte La Violette, mit verschwörerischem Blick auf die Fenster weisend.
    Er reichte Théo einige Blätter voller Diagramme und Zahlen und kommentierte die chemisch-physikalischen Analysen der Bodenproben, des Weins und der Wurzeln der Agiorgitiko- Weinstöcke in Asfendiou.
    »Die Analysen haben mir nichts Neues mehr gesagt. Ich brauchte nur meine Nase in die Bodenproben zu stecken und wusste, dass es machbar ist.«
    Der Bandol werde aus einer Mischung von drei Rebsorten gewonnen: Mourvèdre, Grenache und Cinsault, aber der Mourvèdre eigne sich am besten für trockene Böden. Für ihn stehe schon fest: fünfundsiebzig Prozent Mourvèdre und fünfundzwanzig Grenache.
    »Wie können Sie denn so sicher sein? Niemand hat bisher eine französische DOC -Rebe in ein heißes Klima wie das der Ägäischen Inseln verpflanzen können. Auf Kos kann es im Sommer über vierzig Grad heiß werden.«
    »In der Provence etwa nicht?«
    »Mir wurde immer wieder gesagt, dass es zu viel Sonne gibt und dass ich es niemals schaffen würde, einen hochwertigen Wein zu erzeugen. Das Problem aller griechischen Weine: zu viel Sonne und zu viel Zucker.«
    »Na und? Die Sonne ist ein Segen, mon ami . Vergessen Sie nicht, dass die größten Probleme entstehen, wenn die Traube wegen mangelnder Sonne nicht reifen kann. Gut gereifte Trauben gegen exzessive Sonneneinstrahlung zu schützen ist dagegen kinderleicht. Zum Beispiel werden wir, statt den Blattbewuchs auszudünnen, wie sie es in vielen Weinanbaugebieten Frankreichs machen, einfach weniger Blätter wegschneiden. Außerdem können wir die Lese auf Ende August vorverlegen und die Gärung verkürzen. Das ist das ganze Geheimnis.«
    »Und das Resultat? Mein Agiorgitiko lässt sich derzeit höchstens mit einem mittelmäßigen Merlot vergleichen. Was bekomme ich, wenn ich Mourvèdre und Grenache aufpfropfe?«
    »Das ist ja gerade das Schöne an der Aufgabe. Das Geheimnis der Schöpfung eines neuen Weins: ihm eine Persönlichkeit geben!« Er zeigte mit dem Daumen auf seine Brust. »Und hierin zeigt Victor La Violette, dass er der Größte ist. Was möchten Sie? Eine edlere Rebsorte, um mehr Geld zu verdienen?«
    Théo zuckte mit den Achseln. Er hatte noch mit niemandem darüber gesprochen. Aber was blieb vom Leben, wenn man sich die unmöglichen Träume versagte?
    »Geld spielt dabei keine Rolle.«
    »Das wusste ich, aber ich wollte es von Ihnen hören. Was möchten Sie dann?«
    »Ein Gefühl ausdrücken.«
    »Präziser bitte.«
    »Auf einer Wiese voller Affodillen unter einer Sonne zu liegen, die einem die Haut verbrennt, ringsum das Zirpen der Grillen zu hören und den Geruch der Felder zu riechen.«
    »Banal. Ich will mehr.«
    »Im Sommer auf einer Tenne tanzen, die Musik der Bouzouki hören und bunte Lichterketten zwischen den Pinien schaukeln sehen.«
    »Das reicht nicht. Noch mehr?«
    »Ein Lichtreflex auf kupferroten Haaren in einer Sommernacht auf einer ägäischen Insel.«
    La Violettes Augen leuchteten auf. »Ist ein Duft dabei?«
    »Pinienharz, vermischt mit dem Duft des Geißblatts.«
    La Violette sprang auf, wie eine Hyäne heulend, zog Théo gewaltsam vom Stuhl und tanzte einen Walzer mit ihm.
    »Ja! Ja!«, schrie La Violette mit heiserer Stimme, die Fäuste zum Himmel gereckt, den Oberkörper nach hinten gebeugt. »Großartig!«
    Er schüttete den Inhalt der Teetassen auf den Boden, holte den Bacardi unter dem Tisch hervor und füllte die Tassen. »Wenn ich einen neuen Wein kreiere, denke ich an ein Gefühl. Der Rest kommt von allein. Wir werden eine großartige Rebe mit einer großartigen Landschaft vermählen, der von Kos.«
    Dabei würde auf jeden Fall ein kräftiger, großzügiger Wein herauskommen, in dem die Aromen von Waldfrüchten und des Havannatabaks

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