Curia
einem kleinen Badeort in der Normandie, nicht weit von Deauville, in den Ohren gelegen. Wie hieß der Ort noch gleich? Beau … Bel … Blonville-sur-Mer, ja, so hieß er. Warum nicht? Sie würde nach Blonville-sur-Mer fahren. Wer käme auf die Idee, sie dort zu suchen?
In der Ankunftshalle in Paris blickte Raisa sich nach allen Seiten um und eilte zu einem Hertz-Tresen. Die Angestellte schlug ihr einen Citroën Picasso vor. »Gern«, antwortete Raisa, nahm die Kopie des Vertrags, die Schlüssel und einen Lageplan des Parkplatzes in Empfang. Das Auto sei metallicrot, sagte die Frau, darum würde sie es sofort erkennen.
Raisa zog das Futteral mit der Pistole aus ihrer Reisetasche und steckte es in ihre Handtasche. Vor dem Flughafen fand sie den Parkplatz anhand der Lageskizze und entdeckte den Citroën sofort.
Nach etwa zwanzig Kilometern auf der Umgehungsautobahn nahm sie die A 13 in Richtung Rouen. Immer wieder blickte sie in den Rückspiegel. Seit ein paar Kilometern schon folgte ihr dieser blaue BMW . Sie fuhr langsamer, der BMW überholte.
Drei Stunden später kam sie an ein Ortsschild mit der Aufschrift »Blonville-sur-Mer«. Unter einem Pfeil stand: »Strand 200 Meter links«.
Als sie an der Strandpromenade entlangfuhr, fiel ihr Blick auf eine Villa im normannischen Stil. Auf einem Schild stand »Home de Préaumont. Chambres d’hôtes«. Eine Pension im Familienbetrieb. Genau das Richtige.
Die Wirtin deckte gerade den Tisch zum Abendessen. Aus der Küche drang der Duft von Bouillabaisse, und im Hintergrund sang Jacques Brel Amsterdam . Die Saison gehe langsam zu Ende, sagte die Eigentümerin, die Pension sei halb leer. Sie könne ihr das beste Zimmer anbieten, mit Meerblick. Als sie es Raisa zeigte, öffnete sie die Fensterläden und wies mit einer einladenden Geste auf den menschenleeren Strand.
»Madame, sehen Sie nur, welch ein Frieden. Sie haben wirklich eine intelligente Wahl getroffen, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf.«
»Was meinen Sie damit?«
»Ein schöner Urlaub in der Nebensaison, ohne Menschenmassen und Sorgen. Was will man mehr vom Leben?«
Raisa blieb stumm.
Sie ging hinaus, überquerte den Strand und wanderte an der Wasserlinie entlang. Was machte Théo jetzt? Wohin würde er fahren? Dann fiel ihr ein, dass sie morgen Nachmittag Mayo anrufen musste, wegen der ersten Ergebnisse der Tests mit dem Pulver. Was würde er sagen?
Am Ende der Mole tauchten die bunten Lichter eines Segelschiffs auf. Ein Windstoß zerzauste ihr die Haare. Sie zog sich die Schuhe aus und krempelte ihre Hose bis zu den Knien hoch. Mit tiefen Atemzügen verscheuchte sie alle Gedanken. Dann lief sie mit großen Schritten am Wasser entlang, das unter ihren Füßen aufspritzte und ihr Arme und Gesicht benetzte.
Diablo , schon wieder diese Blattläuse. Eine regelrechte Invasion. Monsignore Guzman besprühte die Töpfe der Cattleya lawrenceana mit einem Schädlingsbekämpfungsmittel.
In vier Tagen begann das Konklave. Er hatte alle Kardinäle getroffen oder angerufen, die zählten, aber das genügte nicht. Er brauchte siebenundsiebzig sichere Stimmen und ahnte, dass er es nicht schaffen würde, nicht in den ersten Wahlgängen. Verfluchtes Tagebuch.
Er beugte sich über einen Topf mit einer Cattleya harrisoniana und sog den Vanilleduft ein. Eine Wanze anbringen lassen? Das Handy klingelte.
»Ja … muy bien , Pater. Ich komme sofort. Ich habe Ihnen auch etwas zu sagen.«
Der Monsignore setzte sich hinter seinen Schreibtisch. »Ich höre.«
»Ich konnte mit dem Chefkoch von Santa Marta sprechen.« Pater Pinkus beugte sich über den Schreibtisch. »Jetzt weiß ich alles.«
Die Casa di Santa Marta verfüge über 105 Suiten und 26 Einzelzimmer mit allem Komfort. Das Haus werde von den Schwestern der Barmherzigkeit von San Vincenzo geleitet. Schon einen Tag nach dem Tod des Papstes habe die Leiterin, Schwester Albertina, eine Art Ottolenghi in Nonnentracht, sämtliche Prälaten der Kurie zum Auszug genötigt, um Platz für die wahlberechtigten Kardinäle zu schaffen. Inzwischen seien von den 117 Kardinälen 95 eingetroffen.
»Können die Kardinäle ihre Suite frei wählen?«, fragte der Monsignore.
»Nein. Der Empfangschef weist die Zimmer nach dem Zufallsprinzip zu.«
»Ist das ein vernünftiger Mann?« Der Monsignore machte eine Handbewegung, als drehe er an einem Rädchen.
Pater Pinkus verzog die Mundwinkel. »Monsignore, das ist ein Jesuit. Aber keine Sorge, Fra Anselmo, der Chefkoch, erhält
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