Curia
jeden Tag die aktuelle Liste der anwesenden Kardinäle mit Zimmernummer. Denn die meisten müssen Diät halten und melden das der Küche.«
»Kann man denn mit ihm … verhandeln?«
Pater Pinkus grinste. »Fra Anselmo ist ein wahres Organisationsgenie.«
Die Schwestern, die Putzdienst hatten, besaßen eine Kopie der Zimmerschlüssel, die sie in einem Abstellraum aufbewahrten. Fra Anselmo habe sich den Schlüssel zu diesem Abstellraum beschafft, weil er ein einträgliches Geschäft witterte. Es sei nur noch eine Frage des Preises.
»Ein einträgliches Geschäft?«
»Monsignore, offenbar sind die Dienste von Fra Anselmo derzeit sehr gefragt, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Sie seien nicht die Ersten. Anscheinend gebe es bereits eine Art Konklave-Wette, und das Spiel von Nachfrage und Angebot habe die Preise für die Kopien bestimmter Schlüssel in schwindelerregende Höhen getrieben. Der Schlüssel zu Kardinal Ottolenghis Zimmer sei der teuerste von allen.
»Wie viel?«
»Zwanzigtausend Euro in bar. Wir müssen sofort zugreifen. Fra Anselmo will bis heute Mittag eine Antwort. Ottolenghi kommt morgen Vormittag an, und Anselmo sagt, er habe noch zwei weitere Angebote vorliegen.«
»Wer garantiert uns, wenn wir auf den Handel eingehen, dass dieser unverschämte Mensch nicht noch mehr Kopien desselben Schlüssels verkauft?«
»Das habe ich ihn auch gefragt.«
»Und?«
»Er war tödlich beleidigt. Er sei ein frommer Pater, der jeden Tag zur Kommunion gehe, und sein Wort gebe er nur einmal. Ich habe Höllenqualen gelitten, um ihn aufzuhalten.«
Der Monsignore ließ seinen Rosenkranz am Zeigefinger pendeln. »Wir zahlen.«
»Monsignore, der Schlüssel löst unser Problem noch lange nicht. Wie kommen wir dort hinein? Santa Marta ist uneinnehmbarer als ein Bunker.«
Während des Konklaves hatten nur zwei Ärzte, vier Pfleger und sechs polyglotte Beichtväter Zutritt zur Casa Santa Marta, alle mit einem speziellen Passierschein des Vatikanstaates versehen. Der Haupteingang und der Dienstboteneingang wurden ständig von Schweizergardisten bewacht.
Vom Beginn des Konklaves an, also ab Dienstag, 22. September, bis zu dem Moment, da der weiße Rauch aufstieg, waren alle Kommunikationsmittel verboten. Aus allen Zimmern wurden Telefone, Fernseher und Radios entfernt, und die Kardinäle mussten Pater Filippo ihre Handys und Laptops aushändigen. Obwohl die Sixtinische Kapelle nur sechshundert Meter von der Casa Santa Marta entfernt war, wurden die Kardinäle überdies mit einem Kleinbus zu den zwei Wahlgängen am Vormittag und den beiden am Nachmittag hin- und zurückgefahren, um jeden Kontakt mit der Außenwelt zu verhindern.
»Das Spiel wird entschieden, bevor es in die Sixtinische Kapelle geht, zwischen morgen und Dienstag also«, sagte Guzman. »Wenn ich recht verstanden habe, können bis Dienstag sogar Externe ungehindert in Santa Marta ein und aus gehen. Stimmt das, Pater?«
»Theoretisch ja, praktisch nein. Jeder Besucher wird in einen Wartesaal gebracht und kommt dort nur in Begleitung von Pater Filippo persönlich wieder heraus. Befehl von Schwester Albertina.«
»Wir brauchen eine Art Trojanisches Pferd … Hm, diese Beichtväter vielleicht …«
»Monsignore, ich kann Ihnen nicht folgen. Die Beichtväter werden vom Staatssekretariat des Vatikans ernannt.«
»Wer ernennt sie?«
»Der Vertreter des Kardinalstaatssekretärs persönlich.«
Das war auch so ein Arschkriecher. Nein, der würde sich nicht weigern, wenn er ihm Alfieris Posten versprach.
»Pater, Sie beherrschen fünf Sprachen. Morgen früh werden Sie als polyglotter Beichtvater mit ordentlichem Passierschein in die Casa Santa Marta gehen.«
Pater Pinkus schluckte hörbar. »Aber …«
»Kein ›aber‹. Betrachten Sie die Sache als abgemacht.«
»W-Wann? Ich meine das Tagebuch.«
»Es muss schon morgen verschwinden, bevor Ottolenghi Zeit hat, es allen wahlberechtigten Kardinälen zu zeigen. Zwischen 13 und 14 Uhr, wenn der Inquisitor im Refektorium beim Essen sitzt. Er wird es ja wohl nicht bei sich tragen, oder?«
Pater Pinkus schwieg mit Weltuntergangsmiene.
»Stellen Sie sich nicht so an, Pater! Das ist doch so einfach wie einem dreijährigen Kind sein Eis wegzunehmen.«
»Ottolenghi ist niemals drei Jahre alt gewesen«, sagte Pinkus mit hauchdünner Stimme. »Und selbst wenn er mal klein war, Eis hat er nie gegessen. Stattdessen hatte er sicher eine Pistole in seiner Kinderkarre versteckt.«
Wieder ließ der Monsignore den
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