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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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Briefkopf des Louvre in Empfang. Ihre Miene verdüsterte sich. Sie ging in eine Ecke und holte ihr Handy aus der Handtasche. Als sie die Nachricht hörte, krampfte sich ihr Magen zusammen. Sie wählte Théos Handynummer.
    »Gerade habe ich deine Nachricht gehört. Was ist passiert?«
    »Spyro … etwas Schreckliches. Er ist heute Morgen in den Tuilerien umgebracht worden.«
    Raisa setzte sich. Théos Worte schienen aus den Albträumen ihrer Patienten zu kommen. Trauer ist wie Angst, beides gehört zu den wenigen Dingen, die die Macht haben, uns verstummen zu lassen.
    »Was wirst du jetzt tun?«, fragte Raisa.
    »Ich muss noch ein paar Dinge mit der Direktion klären, dann verschwinde ich aus Paris. Ich kann dir nicht sagen, wohin, das Gespräch könnte abgehört werden. Wichtig ist zu entscheiden, was du tust.«
    Er sagte, sie dürfe auf keinen Fall in ihre Wohnung zurückkehren. Sie müsse Paris sofort verlassen, ohne jemandem zu sagen, wohin sie fuhr, und sie dürfe nicht das Auto nehmen.
    »Trau niemandem, wirklich niemandem, hast du verstanden?«
    »Ja. Ich muss dir etwas Wichtiges über den Kegel sagen …«
    »Still! Nicht am Telefon. Ich werde dich anrufen, sobald ich meine Nummer geändert habe. Raisa …«
    »Ja?«
    »Es tut mir leid. Wegen Spyro, wegen dir, wegen allem. Das ist alles meine Schuld.«
    »Red keinen Unsinn. Wann sehen wir uns wieder?«
    »Ich weiß es nicht. Aber ich verspreche dir, dass wir da wieder rauskommen.«
    »Théo …?«
    »Was ist?«
    »Ich möchte dich nicht verlieren.«
    »Ich möchte dich auch nicht verlieren. Jetzt muss ich Schluss machen.«
    Raisa blieb eine Weile reglos sitzen, das Telefon in der Hand. Im Hotel bat sie die Angestellte am Empfang um die Rechnung. Eine Viertelstunde später stand sie am Ausgang.
    »Heathrow, Internationale Abflüge, Terminal 1«, sagte sie zum Taxifahrer.
    »Französin, oder?« Der Taxifahrer betrachtete sie durch den Rückspiegel. »Ah, Frankreich! Douce France, cher pays de mon enfance  …«
    »Sie mögen Frankreich?«
    »Oh Miss, ich bin verrückt nach Frankreich. Nie da gewesen, aber ich weiß, dass ich irgendwann hinmuss.«
    »Ein bestimmter Ort?«
    »Klar doch. D’Artagnan in der Gascogne.«
    »Warum ausgerechnet D’Artagnan?«
    »Miss, ich habe Die drei Musketiere zwölfmal gelesen. Wissen Sie, was ich glaube? Dass ich in einem meiner früheren Leben ein Musketier gewesen sein muss. Und die Vorstellung missfällt mir durchaus nicht, oh nein.«
    Das Taxi fuhr im Regen durch die Straßen von South Kensington. Raisa überraschte sich dabei, dass sie den Taxifahrer beneidete. Er hatte ein Heim, er wusste, was er wollte. Wo würde sie heute Nacht schlafen? Wie lange würde sie sich verstecken müssen? Was würde aus ihrem Leben werden, merde ? Spyros Tod, der Anschlag auf Théo, das Pulver … Was steckte hinter diesem Albtraum?
    Bei dem Gedanken an ihre Patienten seufzte sie und wählte die Nummer ihrer Praxis. Arlène antwortete sofort. Es sei ein persönliches Problem aufgetaucht, sagte Raisa, und sie müsse für drei Wochen weg. Nein, leider könne sie nicht darüber sprechen. Sie bat Arlène, sofort die psychiatrische Abteilung der Klinik zu benachrichtigen. Für die Patienten ihrer Praxis solle sie den üblichen Vertreter holen.
    »Ich hoffe, es ist nichts Ernstes. Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
    »Nein danke, Arlène. Dieses Problem muss ich alleine lösen. Ich werde Sie wieder anrufen.«
    Constance. Sie musste ihr sagen, dass sie sofort alle Nachforschungen einstellen sollte.
    »Ich weiß nicht, wann ich zurückkommen kann … Bitte hör sofort mit allem auf. Ich weiß, ich weiß. Was bleibt mir anderes übrig? À bientôt , Constance.«
    Sie drückte die Tasche auf ihrem Schoß an sich. Für ein paar Tage hatte sie alles Nötige dabei. Außerdem hatte sie ihren Toshiba mit allen Dateien. Sie überprüfte die Kreditkarten in ihrer Brieftasche. Damit konnte sie fahren, wohin sie wollte. Aber wohin?
    Im Terminal schaute sie zur Abflugtabelle hoch. Der erste Flug nach Paris ging um 15:15 Uhr. Sie eilte zu einem Check-in-Schalter der Air France. Man habe noch einen Platz in der Businessclass, sagte der Mann mit Blick auf den Monitor. Raisa ging zum Gate.
    Die Frage, wohin sie fahren sollte, ging ihr unablässig durch den Kopf. Sie dachte an Madame Tissier, eine Patientin mit neurotischen Angstzuständen, und ihre alljährliche quälende Sorge, wo sie ihren Urlaub verbringen sollte. In diesem Jahr hatte sie Raisa ständig mit

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