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Curia

Curia

Titel: Curia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oscar Caplan
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setzte sich wieder an den Schreibtisch.
    Eine halbe Stunde später kehrte er zu dem Gerät zurück und beobachtete die Anzeige der Temperaturwerte: 760, 761, 762 … Er drehte sich zum Computerbildschirm um, auf dem jetzt ein XY -Diagramm erschien. Die X-Achse zeigte die Temperaturen, die Y -Achse die prozentualen Gewichtsveränderungen der Probe. Bei der momentanen Temperatur hatte die Probe noch immer hundert Prozent ihres ursprünglichen Gewichts. Mit verwundertem Gesichtsausdruck setzte Mayo sich wieder hin und schob eine CD von Nat King Cole in den CD -Player. Die Klänge von Unforgettable erfüllten das Labor.
    1 060, 1 061, 1 062, 1 063, 1 064 ….
    Plötzlich drang ein blendendes Licht wie von einer gigantischen Magnesiumlampe aus dem Gerät und erleuchtete das Labor und den davorliegenden Park taghell. Mayo schrie auf, sprang vom Stuhl und bedeckte sich das Gesicht mit beiden Händen. Er schwankte und stürzte zu Boden.
    Ein pulsierendes weißes Licht umgab das Gerät, auf der Temperaturanzeige blinkte die Zahl 1 064. Das Diagramm auf dem Computerbildschirm zeigte bei 1 064 Grad Celsius einen steilen Abfall des Gewichts. Die vertikal abfallende Linie hatte die X -Achse gekreuzt und war in den Bereich negativer Werte vorgedrungen.
    Der Sekundenzeiger der Wanduhr war stehen geblieben, die Uhr zeigte 19:51 Uhr. Mayo lag rücklings auf dem Boden, er rührte sich nicht. Seine Armbanduhr stand, sie zeigte 19:51 Uhr.
    Smile, for your heart is aching, smile …

 
    35    Als der Kommissar der Kriminalpolizei hinausgegangen war, klingelte das Telefon. Es war der Direktor des Louvre, der Théo zu sich zitierte.
    »St. Pierre«, stieß der Direktor, dessen Haare in der Mitte akkurat gescheitelt waren, zwischen dünnen Lippen hervor, »glauben Sie wirklich, ich würde derartige Zwischenfälle dulden? Ein getöteter Wachmann und eine Schießerei am helllichten Tag!«
    »Ich werde dem Mörder sagen, er soll das nächste Mal den Teesalon im Hotel Georges V. nehmen.«
    »Ersparen Sie mir Ihre Witze! Diese Geschichte mit Moses hat mich sowieso nie überzeugt. Konstantine musste schon dran glauben, sympathisch war er mir zwar nicht, aber er ruhe in Frieden. Und jetzt sind Sie dran. Ja, sind wir denn hier im Chicago der Dreißigerjahre? Ich lasse mich nicht von Ihnen täuschen, St. Pierre. Sie verbringen Ihre Zeit damit, die Regeln zu umgehen, statt sie zu befolgen. In der letzten Viertelstunde habe ich zwei Anrufe bekommen, einen vom Kultusminister, den anderen vom Innenminister. Ist Ihnen klar, was das bedeutet?«
    »Sonnenklar.«
    »Ich verbiete Ihnen, in diesem Ton mit mir zu sprechen!« Der Direktor schlug mit der Faust auf den Schreibtisch. »Ich frage mich immer noch, warum der Verwaltungsrat ausgerechnet Ihnen die Stelle als Kurator gegeben hat.«
    »Sie haben recht. Bei manchen Ernennungen sollte der Louvre vorsichtiger sein.«
    »Das reicht jetzt! Die Republik kann sich nicht erlauben, in einen internationalen Zwischenfall hineingezogen zu werden. Das Projekt ›Mose Grab‹ ist hiermit annulliert. Annulliert, haben Sie verstanden?«
    »Wenn das so ist, nehme ich drei Wochen Urlaub.«
    »Aha! Das ist also Ihre Antwort?«
    »Sie haben ja bereits alles gesagt.« Théo erhob sich und ging zur Tür.
    »Was auch immer Sie unternehmen, es geschieht auf eigene Verantwortung, nicht mit Unterstützung des Louvre, verstanden?«, rief der Direktor ihm hinterher. »Und vergessen Sie nicht, St. Pierre. Noch so ein Ereignis, und der Louvre ist fertig mit Ihnen. Ist das klar?«
    Zurück in seinem Büro goss Théo sich ein Glas Cognac ein und trank es in einem Zug aus. Eine Wolkensäule, eine Feuersäule, tönte es unablässig, wie ein Mantra, in seinem Kopf. Die Antwort konnte nur dort zu finden sein. Merde . Von Beginn an war er in dieser Geschichte immer einen Schritt hinter dem Mörder gewesen. Jetzt war der Moment gekommen, ihm einen Schritt voraus zu sein.
    Er zog eine weiche Ledertasche aus einem Schränkchen und warf ein paar Landkarten vom Nahen Osten, die Bibel, seinen Blackberry und die Mappe mit Vankos Pergamenten hinein. Dann nahm er den Koffer mit der Jaeger-Geige und hängte ihn sich über die Schulter. Clea. Er ging ins angrenzende Büro und sprach eine Nachricht auf Band. Er müsse für ein paar Wochen weg, sagte er, und sie solle sich keine Sorgen machen. Er würde ihr alles telefonisch erklären. Beim Hinausgehen blickte er sich in seinem Büro um. In der Stille schlug die Uhr zur halben Stunde,

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